Cafe Wilhelm(124)
Aufgefrischte Eleganz – das Cafe Wilhelm nach dem Umbau
5. Juni 2002 - Thomas Moser
Nach wie vor macht sich im Café Wilhelm die Atmosphäre eines Espressos breit, eines Treffs für einen schnellen Kaffee bzw. eines kurzen Warteplatzes vor der nächsten Terminvereinbarung. Und nach wie vor zieren Tischchen und Sesseln à la Wiener Aida Cafés den Innenraum (die Einrichtung stammt wie im Fall der Aida Filialen vom Wiener Architekt Vorderegger). Der Boden ist noch immer mit Mosaikfließen und die Decke mit Gipsplatten belegt. Dennoch hat sich seit kurzem einiges verändert. Leuchtendes Terrakotta als Wandfarbe setzt einen wirkungsvollen Kontrast zu den vorhandenen Farben im Inneren und die rot-weiße Markisenbespannung an der Fassade, sie überdeckt den Schanigarten, verstrahlt an der Ringstraße südliches Flair. Die bereits abgegriffene Eleganz der sechziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts wird hier sukzessive auf behutsame Art und Weise aufgefrischt.Seit vierzig Jahren dominiert ein zurückhaltend markantes Wohnhaus die Ecke
Ringstraße-Brandstömstraße. Es ist Teil einer Wohnhausanlage, die in den Jahren 1958-60 von der Kremser Baufirma Schubrig errichtet wurde. Im untersten der acht Geschoße ist seither das Café Wilhelm eingemietet und seit dieser Zeit wird hier die Kaffeesorte "Columbia" ausgeschenkt. Gut eingeführte Tradition hindert die heutige Besitzerin Renate Goll jedoch nicht daran, notwendige Erneuerungen, die etwa die Kaffeemaschine oder die Vitrine für die Mehlspeisen betreffen, mit jener Zähigkeit zu verfolgen, die Ergebnisse jenseits von Standardlösungen bringen. Ältere Stammgäste aber auch Schüler und Reisende vom nahen Bahnhof schätzen den speziellen Charakter des Cafés, das einen feinen Kontrapunkt zu den Italienklischees üblicher Bars nach Franchisemuster setzt.
So gesehen ist das Café Wilhelm ein Paradebeispiel für intelligente Modernisierung von qualitätvollem Erbe. Entscheidend ist das Bewusstsein der Eigentümerin um eine unverwechselbare Atmosphäre und ihr Engagement dafür, architektonische Gestaltung in ihrer zeitspezifischen Eigenart nicht konservieren zu wollen, sondern durch die notwendigen Eingriffe zu beleben. Von Chrom (www.chrom.at), einer Initiative, die für bemerkenswerte Architektur und Interieurs des 20. Jahrhunderts sensibilisieren will, hat sie sich schon jetzt eine Auszeichnung verdient.
verfasst von Thomas Moser