Raith 3. WBF (180)
Karin Raith beim 3. Wohnbaufrühstück "Entstehung Dorf- und Hoftypologien des Weinviertels"
Am 2. Juli 2003 hielt Karin Raith beim "3. Wohnbaufrühstück von ORTE" in Hollabrunn das Eingangsreferat zum gestellten Thema
"Alte Dorfstrukturen versus Zersiedelung"
Wie entstanden die verschiedenen Dorf- und Hoftypologien des Weinviertels und was kann man heute damit anfangen?
von Karin Raith
Die Auflösung der traditionellen Dorfstrukturen schreitet auch im Weinviertel voran. Die heutigen Lebensweisen scheinen mit Siedlungs- und Baustrukturen kaum vereinbar zu sein, die im Zusammenhang mit ganz anderen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Verhältnissen entstanden sind. Daraus ergeben sich Fragen
· nach der Genese der Siedlungsstrukturen: Unter welchen sozioökonomischen und politischen Rahmenbedingungen sind die Kulturlandschaft und die Dörfer des Weinviertels entstanden?
· nach dem Wandel der Siedlungsstrukturen: Wie konnten in der Vergangenheit die Architektur und die räumliche Organisation des Dorfes an veränderte Lebensweisen angepasst werden?
· nach den Widersprüchen zwischen den Siedlungsstrukturen und den sozioökonomischen Entwicklungen der Vergangenheit: Welche Baustrukturen haben bestimmte gesellschaftliche Entwicklungen behindert oder sind umgekehrt von gesellschaftlichen Veränderungen gesprengt oder ausgelöscht worden?
· nach dem Potenzial der Siedlungsstrukturen in Hinblick auf künftige sozioökonomische Entwicklungen: Welche der überlieferten Baustrukturen könnten welche Veränderungen der Lebensweise zulassen und dafür Entfaltungsmöglichkeiten bieten?
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Der Rückblick auf die Entstehungsgeschichte des Dorfes und seiner Gehöfte zeigt, dass zwischen dem verfügbaren Material, der Konstruktion, den möglichen Raumgrößen, der Raumgruppierung und den sich daraus entwickelnden Haustypen ein unmittelbarer Zusammenhang bestand. Neben den Ressourcen und der Wirtschaftsweise waren auch die sozialen Verhältnisse bestimmend für den Haustyp. Hofgemeinschaft und Familie waren identisch, es gab zunächst kein Gesinde. Die flachen familieninternen und dörflichen Hierarchien und die kollektive Abhängigkeit von der Grundherrschaft bildeten sich in der gleichförmigen Reihung der Räume des Gehöfts wie auch der Hofstätten ab.
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Der ökonomische Strukturwandel wurde von gesellschaftlichen Veränderungen begleitet. Aus dem ehemals homogenen Dorfverband von (mit wenigen Ausnahmen) gleichberechtigten und wirtschaftlich gleichgestellten Bauern wurde eine uneinheitliche Gesellschaft von Menschen mit unterschiedlicher sozialer Stellung und Wirtschaftskraft, mit heterogenen Werthaltungen und Lebensstilen, und vor allem mit divergierenden Interessen und unterschiedlichen Bindungen an das Dorf. Es gibt Alteingesessene, die im Dorf leben und arbeiten, Pendler, Zugezogene, die "am Land" wohnen und im Wiener Raum arbeiten, Zweitwohnsitz-Inhaber usw.
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Résumé:
Die alten Streck-, Haken- und Zwerchhöfe werden, bis auf ein paar Museumsstücke und einige von Liebhabern gepflegte Exemplare, verschwinden. Es wäre jedoch leicht möglich, einen Haustyp zu entwickeln , der sich in die traditionelle Parzellenstruktur des Anger- oder Straßendorfs einfügt, der die zahlreichen Vorzüge der überlieferten Gehöfte in sich vereint und ihre wenigen Schwächen ausmerzt. Die Siedlungsstruktur der meisten Weinviertler Dörfer wäre durchaus zukunftstauglich und auch für Siedlungserweiterungen anwendbar und sinnvoll. Obwohl die Probleme der Zersiedelung seit langem bekannt sind, scheint jedoch der politische Wille zu fehlen, durch entsprechende Gesetze und Anreize eine kompakte Siedlungsentwicklung zu fördern.
Den vollständigen Text gibt es auf unserer Homepage
unter Mediadaten: Alte Dorfstrukturen versus Zersiedelung.
Kontakt: Karin Raith