Bei prachtvollem Wetter begab sich die Gruppe von 50 Interessierten, zwei Drittel davon leben in Klosterneuburg, unter der Leitung von Architekt Martin Rührnschopf, ausgehend vom Weidlinger Bahnhof auf die Suche nach der optimalen Stadtteilentwicklung. Durchwegs kritische Ansichten waren vernehmbar: Themen wie steigender Individual-Verkehr, besorgniserregend zunehmende Versiegelung, Absterben der Infrastruktur und der Ruf, die „grüne“ Lebensqualität im Stadtteil sichern zu wollen, waren die determinierenden Faktoren, die aus der gehend-sprechenden Gruppe herauszuhören war.
Die TeilnehmerInnen – allesamt engagierte und der Stadt seit Jahrzehnten verbundene Menschen – bewegten sich durch die Alleestraße über den Kollersteig, die Weidlingerstraße und die Anton-Bruckner-Gasse hinauf zur Unteren Öden und befanden – recht individuell – über Schönheit und Hässlichkeit des (heutig) Gebauten.
Während des Spaziergangs ließen sich kaum leerstehende Häuser ausmachen und dennoch – so vernahm man aus der Gruppe der BewohnerInnen – gibt es 3.000 Wohnungen, die in Klosterneuburg (insgesamt) anscheinend leer stehen und somit eine reine Wertanlage darstellen. Nichts desto trotz soll weiterhin Wohnraum in Klosterneuburg geschaffen werden, was viele ebenso bekümmert wie das uneingeschränkte Bauen durch Investoren, die bis auf den letzten Millimeter Flächenoptimierung betreiben. Historischer Bestand wird in Klosterneuburg, so die Kritik, dem Renditestreben geopfert, und so verschwindet Wertvolles ehe man sich‘s versieht.
Von der Premiumlage Untere Öden blickte die Gruppe auf das Weidling-Tal, auf großvolumige Bauten neben der Verkehrsader und diskutierte den Stadtentwicklungsplan 2004 bis 2019, der aktuell von ProfessionistInnen evaluiert wird.
Der geführte Spaziergang führte weiter über den Weidlingbach durch die Mittelstraße, die am Fuße prächtiger Weingärten liegt, vorbei an sehr unterschiedlich dimensionierten Einfamilienhäusern von einst und jetzt. Halt gemacht wurde an einem Kinderspielplatz, der „reguliert und beschönt" wurde. Die Gruppe bedauerte den Verlust der „wilden Böschung“ und die nunmehr fehlende Beschattung und regte einen Naschobst-Garten an. Unweit davon wurde über das Areal der ehemaligen Freiwilligen Feuerwehr, das einem Wohnbau weichen wird, debattiert. Kindergarten und Apotheke sind im Erdgeschoß angedacht. Der Ruf nach einem Verkehrskonzept war nicht zu überhören.
Der Weg führte zu einem Wohnbau auf einem der Katholischen Kirche gehörenden Areal. Die von einem örtlichen Bauträger errichteten Baukörper wurden uninspiriert und dominant vor denkmalgeschützten Villen platziert. Diskussionsthema war die "Machtlosigkeit" der Baubehörde, die zwar die Bauordnung im Detail vollzieht, in den wesentlichen Gestaltungsfragen aber offensichtlich nicht agieren darf oder möchte.
Der Spaziergang endete vor der Kirche in Weidling, wo die prekäre Verkehrssituation an dieser neuralgischen Engstelle besonders deutlich wurde. Hier ist in der Schutzzone des historischen Ortszentrums ein Wohnbauvorhaben geplant. Ein desolates Althaus soll saniert und das Grundstück bis zum Bach mit ca. 14 Wohnungen samt Tiefgarage bebaut werden. Eine breite Initiative an WeidlingerInnen steht diesem Projekt sehr kritisch gegenüber.
Das Gehen über den steilen Kirchensteig ermöglichte eine schöne Perspektive auf das Weidlingtal und eine abschließende Einkehr beim Heurigen Trat-Wieser, wo unter anderem die massive Barriere der Wiener Straße bzw. der Bahn und der öffentliche Verkehr reflektiert wurden. Als wünschenswert und positiv erachteten alle TeilnehmerInnen die Bürgernähe der Politik.
Die bereits 9. Veranstaltung der ORTE-GEHsprächsreihe führt nach Klosterneuburg, wo promenadologisch die Stadtentwicklung anhand von Gebautem und Ungebautem unter der GEHsprächsleitung von Landschaftsplaner Dominik Scheuch entschlüsselt wird.
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