Architekt Wolfgang Pfoser ZT GmbH
Wolfgang Pfoser in Conversation
Auf die Frage, welcher Leitsatz die Arbeit seines Büros umreißt, antwortet Wolfgang Pfoser, der mit dem Büro der DI Wolfgang Pfoser ZT GmbH in St. Pölten beheimatet ist:
„Planen und Bauen" steht - im Lauf der Geschichte – für Verantwortung. Sei es, Vorhandenes zu ergänzen und sensibel in Topographie und Bestand einzufügen. Sei es, neu zu bauen und der gestellten Aufgabe maßvollen wie identitätsstiftend zu entsprechen und dennoch ausreichend Raum für spätere Generationen zu hinterlassen.
Lieber Wolfgang Pfoser, wie und wann sind Sie zum ersten Mal auf ORTE aufmerksam geworden, wie mit uns in Berührung gekommen?
Wolfgang Pfoser: Ich denke, es war bald nach der Gründung. Ich erinnere mich noch an die Grundsatzidee, die Walter Zschokke einbrachte: „ORTE“ anstatt eines „Hauses der Architektur“.
Mit welchen Aufgaben setzen Sie sich momentan beruflich auseinander?
Wolfgang Pfoser:
- Sozialer Wohnbau in Baulücken bzw. Innenhöfen in der Landeshauptstadt (anonymes Wettbewerbsverfahren)
- Ein 4-gruppiger Kindergarten im oberen Weinviertel
(anonymes Wettbewerbsverfahren) - Erstellung eines Nutzungsprojektes für ein Objekt aus den 60-er Jahren,
das revitalisiert und erweitert werden soll. - Denkmalpflegerische Aufgaben, wie etwa bauliche Maßnahmen an einer bedeutenden Barockfassade in St. Pölten oder am barocken Kalvarienberg in Lilienfeld
Wenn sie dazu Zeit und Muße hätten, was würden Sie gerne planen/gestalten, völlig ungeachtet dessen, ob es realistisch oder realisierbar ist?
Wolfgang Pfoser: Ich würde mich mit der Frage beschäftigen, wie sich ein historischer Stadtkern als Ort des Austausches in Zeiten von Fachmarktzentren am Stadtrand wie des Internethandels entwickeln kann. Am Beispiel St. Pöltens würde ich stadträumliche Vorgaben erarbeiten, die die Stadtmauer und den Stadtgraben rund um die historische Innenstadt wieder in ihrem Wert unterstrichen und erlebbar machten.
Wenn Sie nicht Architekt geworden wären, wohin hätte Sie Ihre Leidenschaft beruflich sonst geführt?
Wolfgang Pfoser: Zur Kunstgeschichte, Archäologie oder Musik.
Gibt es für Sie eine Epoche/eine Person in der Architekturgeschichte, die Sie inspiriert, die Anregungen für das heutige Bauen bieten kann?
Wolfgang Pfoser: Ich meine, dass in jeder Epoche Werke entstanden sind, deren Detailstudium bezüglich NutzerIn, Aufgabenstellung und Wirkung inspirierend sein kann.
Wie schätzen Sie Dynamik und Qualität des heimischen Architekturschaffens ein -
im Vergleich zu anderen europäischen Ländern?
Wolfgang Pfoser: Vorausschicken möchte ich, dass ich Dynamik nicht nur positiv sehe. Beispiele, wie individuelle Interessen das Allgemeininteresse unterlaufen, häufen sich dramatisch. Diesen Aspekt berücksichtigend kann ich aber sagen, dass sich die Architekturqualität in den letzten Jahrzehnten sehr positiv entwickelt hat.
Zur regionalen Situation in Niederösterreich: was sind die dringendsten Fragen, auf die die Architektur in den nächsten Jahren wird Antworten liefern müssen?
Wolfgang Pfoser: Lassen Sie mich stichpunktartig Themen anreißen, wo Handlungsbedarf besteht:
- Landflucht: Wie steht es um den Umgang mit Bausubstanz, wie etwa im oberen Waldviertel oder in den Voralpengebieten?
- Zersiedelung: Eine optimalere Nutzung bereits gewidmeten Baulandes ist wünschenswert und Bauland sollte eher rückgewidmet als neugewidmet werden.
- Mobilität: Positiv zu bewerten ist das öffentliche Verkehrsangebot auf der Westbahnstrecke. Hingegen ist das ÖFFI-Angebot zwischen St.Pölten und Krems mangelhaft. Auch sollten in Ballungsräumen SHARING-Modelle anstelle des Individualverkehrs gefördert werden.
Falls St. Pölten Kulturhauptstadt Europas wird, welch konkreter Impuls könnte in der Architektur für das Jahr 2024 gesetzt werden, damit das Ganze nicht nur auf oberflächlich touristische Wirkung abzielt, sondern die Dringlichkeit eines klima- und zukunftstauglichen Bauens unterstreicht?
Wolfgang Pfoser: Folgende Impulse ließen sich setzen:
- Stadtkernfunktionen neu zu formulieren.
- Einführung von Gestaltungsbeiräten,
wie sie in fast allen wichtigen Städten zu finden sind. - Behutsame „Stadtreparatur“.
- Der Erhalt gewachsener Grünflächen,
denn synthetisches Grün auf Tiefgaragen stellen keinen Ersatz dar.
Was würden Sie - im Zusammenhang mit Ihrem beruflichen Umfeld - gerne ändern (können)?
Wolfgang Pfoser: Es bräuchte mehr öffentliches Bewusstsein für stadtfunktionale und gestalterische Fragestellungen; eine konstruktive Mithilfe der Medien wäre dabei wünschenswert.
Welche Rolle spielen ArchitektInnen heute in der Gesellschaft?
Wolfgang Pfoser: Für die Lösung von Bauaufgaben benötigen wir auch weiterhin individuelle und maßgeschneiderte Antworten; diese so zu entwickeln, dass sie nachhaltige Repliken auf die vielfältigen Herausforderungen unserer Zeit darstellen, ist eine Verpflichtung der Architekturschaffenden gegenüber der Gesellschaft. Eine Reduktion auf eine ausschließlich wirtschaftliche Sicht der Förderung von Baukultur wäre nicht dienlich und gilt es somit zu vermeiden, führte dies doch letztendlich zu einer Banalisierung unseres Umfeldes.
Sollen sich ArchitektInnen politisch engagieren, und wenn ja, in welcher Form soll das erfolgen, im Sinne einer Förderung der Baukultur?
Wolfgang Pfoser: Leider ist in dem Zusammenhang zu sagen, dass mittlerweile ein Teil des örtlichen Baugeschehens zunehmend vordergründig spekulative Interessen verfolgt, wie etwa die Schaffung von Büroflächen oder „Vorsorgewohnungen“, die oft nicht dem tatsächlichen Bedarf entsprechen. Dieser Fehlentwicklung sollten ArchitektInnen und Politik gemeinsam entgegenwirken.
Welchen Rat zu einer erfolgreichen Baukulturvermittlung hätten Sie für uns, was wünschen Sie sich von ORTE Architekturnetzwerk Niederösterreich?
Wolfgang Pfoser: Ich denke, der Weg, den ORTE geht, führt in die richtige Richtung. Vielleicht könnte dieser durch die lokale Presse noch zielorientierter begleitet werden – wie etwa durch die Landesmedien „Leben in Stadt und Land“ oder die Denkmalpflege Broschüre.
Wolfgang Pfoser, November 2018