Treberspurg & Partner Architekten ZT GmbH
Martin Treberspurg in Conversation
"Wir planen schon heute, wie wir morgen leben wollen.
Wir haben uns dem solaren Bauen verpflichtet und planen Häuser,
die Mensch, Umwelt und Architektur in Einklang bringen."Diesem Leitgedanken versuchen die Mitarbeitenden im Büro Trebespurg & Partner Architekten rund um
Univ. Prof. Martin Treberspurg im in Wien 14 beheimateten Büro
in ihrer Arbeit Rechnung zu tragen.
Lieber Martin Treberspurg, zum Einstieg die Frage: Wie und wann sind sie auf uns aufmerksam geworden?
Martin Treberspurg: Mit ORTE habe ich Bekanntschaft gemacht durch meine langjährige Architekturarbeit in Niederösterreich und anfänglich über Wolfgang Reinberg aus St. Pölten, mit dem ich von 1982-1990 eine Bürogemeinschaft bildete.
Warum sind Sie Architekt geworden; erinnern Sie sich an den ersten Impuls, der zu Ihrer Berufswahl geführt hat?
Martin Treberspurg: Ich habe mich schon in der Schulzeit für historische Baukunst und moderne Architektur interessiert. Ein sehr guter Zeichenunterricht war prägend für mich und ich bin von meinem Zeichenlehrer Mag.art. Karl A Fischer sehr gefördert worden. Er war es auch, der mich zur österreichischen Gesellschaft für Architektur führte, wo Friedrich Kurrent mich gebeten hat, schon als Schüler beizutreten. Für meine Maturamappe habe ich unter der Schulbank Ideen für Architekturentwürfe gezeichnet. Nach der Matura bekam ich die Möglichkeit, an einem einwöchigen Architekturkurs von Friedrich Achleitner teilzunehmen – von da an war klar, dass ich dieses Interesse an Architektur weiter vertiefen wollte. Anfänglich habe ich aber Bauingenieurswesen an der TU Wien als „Pflichtfach“ und Architektur als Hobby studiert, später dann statt Bauingenieurwesen in Architekturbüros (Anton Schweighofer, Johann Georg Gsteu) gearbeitet und Architektur fertig studiert.
Wir haben heuer bei den Architekturtagen den Film „Die Böhms – Architektur einer Familie“ gezeigt. Daran anknüpfend - wie lebt es sich in einer Architektenfamilie, in der die Kinder in die beruflichen Fußstapfen des Vaters getreten sind; wie eng ist die Verquickung von Berufs- und Privatleben?
Martin Treberspurg: Die gemeinsame Leidenschaft für Architektur verbindet mich mit meiner Tochter Johanna (Mitarbeiterin bei nonconform) und meinem Sohn Christoph, der 2013 ins Büro Treberspurg und Partner eingestiegen und seit 2017 Partner der Firma ist. Der Rest der Familie teilt diese Leidenschaft nur partiell, ein grundsätzliches Interesse an Architektur ist jedoch bei allen Familienmitgliedern vorhanden. Um etwas Distanz zum Büroalltag zu schaffen, wird an Wochenenden und bei privaten Treffen versucht, Arbeit und Familie klar zu trennen. Und dennoch gehören immer wieder Gespräche und Diskussionen über Architektur im Allgemeinen zum Familienalltag.
Mit welchen Aufgaben setzen Sie sich momentan beruflich auseinander?
Martin Treberspurg: Zum Einen ist das großvolumiger Wohnbau mit thermisch aktivierten Bauteilen (TAB) in Passivhaus- oder NEST-Bauweise mit 100 % erneuerbarer Energie bzw. als Plusenergiehaus, was gleichbedeutend steht für zukunftssicheren Wohnbau für die Zeit nach dem Global Change. Des Weiteren mit Schul- und Universitätsbauten in nachhaltiger Bauweise für neue pädagogische Konzepte. Und darüber hinaus mit der Restaurierung von denkmalgeschützten Kirchen (unter anderem Perigrinikapelle, Servitenkirche) samt liturgischer Möblierung inkl. Sitzmöglichkeiten, die einer zeitgemäßen Glaubensvermittlung entsprechen.
Selbst wenn alle Rahmenbedingungen für die praktische Umsetzung stimmten, gibt es eine Bauaufgabe, die Sie dezidiert ablehnen würden?
Martin Treberspurg: Was ich nicht machen wollte, wären kurzlebige, modische oder kommerzielle Geschäftsarchitekturen.
Welches konkrete architektonische Werk hat Sie kürzlich begeistert?
Martin Treberspurg: Paneum – die Wunderkammes des Brotes von Coop Himmelblau in Asten, Oberösterreich.
Sie sprechen auf Ihrer Website die Ausgewogenheit zwischen einer Architektur der Konzepte und einer Architektur der Bilder an. Darauf Bezug nehmend: Wann wird ein Gebäude für Sie zur Architektur?
Martin Treberspurg: Wenn ein Gebäude einerseits mehr ist als reine Zweckerfüllung und einen ästhetischen Wert besitzt. Oder anders formuliert: Wenn ein Bauwerk nur seine Form als Inhalt aufweist, und keinerlei Funktionserfüllung dient, dann handelt es sich dabei um eine Skulptur.
Mitunter gewinnt man den Eindruck, es sei schwierig, für "gute", nachhaltige Baukultur zu sensibilisieren. Warum nimmt diese so wenig Raum ein im öffentlichen Diskurs, obwohl sich alle darauf Angesprochenen, ähnlich wie beim Fußball, für ExpertInnen auf diesem Gebiet halten? Oder anders gefragt: Warum klaffen Anspruch und Umsetzung im Bauwesen oft auseinander?
Martin Treberspurg: Einerseits wird nicht überzeugend genug vermittelt, dass nachhaltige Architektur schon heute gesund für die Nutzer ist. Andererseits fehlen kurzfristige finanzielle Anreize, die in unserer Zeit leider immer im Vordergrund stehen. Zur Veranschaulichung ein Beispiel aus der Praxis: Sehr wichtig wären z.B. Anreize für Sanierungen bestehender Bausubstanzen auf Passivhaus- oder Plusenergiehaus-Niveau. Natürlich ist das mit Mehrkosten verbunden. Und diese rechnen sich eben nicht kurzfristig, selbst trotz vorhandener Förderungen. Diese sind momentan zu gering, angesichts der derzeit niedrigen Energiepreise, bei denen eine CO2-Steuer keine Berücksichtigung findet, was jedoch sinnvoll wäre. Zudem wird dabei vergessen, dass besagte alte Gebäude in ihrer Substanz durchaus einem Neubau entsprechen und bei ästhetischer Auseinandersetzung mit der alten, vorhandenen Bausubtanz oft sogar einen höheren Marktwert erzielen können als schlecht sanierte Gebäude oder Neubauten.
Wie schätzen Sie die aktuelle Dynamik und Qualität des heimischen Architekturschaffens im Vergleich mit anderen europäischen Ländern ein?
Martin Treberspurg: In Österreich verfügt die Architektur über sehr hohe Qualität, bedingt durch eine offene, starke Konkurrenz, zumeist über Wettbewerbe. Solange dies wirtschaftlich für die ArchitektInnen tragbar ist, handelt es sich dabei um eine positive Entwicklung. Anzustreben wären Modelle, die so angelegt sind, dass in Wettbewerbsverfahren nicht zu viel geistige Energie sinnlos vernichtet wird. Denn es kann nicht sein, dass die Summe der unbezahlten Wettbewerbsleistungen der einzelnen TeilnehmerInnen die Baukosten des Wettbewerbsgegenstandes übersteigt wie dies leider öfters schon der Fall war.
Eine Frage mit direktem Niederösterreich-Bezug: Falls St. Pölten Kulturhauptstadt Europas wird, welch konkreter Impuls könnte in der Architektur für das Jahr 2024 gesetzt werden, damit das Ganze nicht nur auf oberflächlich touristische Wirkung abzielt, sondern die Dringlichkeit eines klima- und zukunftstauglichen Bauens unterstreicht?
Martin Treberspurg: Schön wäre ein prototypenhaftes Viertel als Experimentierfeld mit Gebäuden im sozialen Wohnbau, die als Plusenergiehäuser langfristige Wege in eine nachhaltige Zukunft aufzeigen.
Welche Rolle spielen ArchitektInnen heute in der Gesellschaft?
Martin Treberspurg: Meiner Überzeugung nach eine sehr wichtige Rolle, obwohl diese kaum anerkannt wird und die eigentliche Arbeit von der Gesellschaft zumeist aufgrund von Unkenntnis nicht beachtet wird. Zum Beispiel wurde beim Brückeneinsturz in Genua im Juli 2018 in den Medien mehrfach behauptet, dass dieser auf die falsche Architektur des Architekten Riccardo Morandi zurückzuführen sei. Dabei wurde jedoch außer Acht gelassen, dass Riccardo Morandi nie Architekt war, sondern immer Bauingenieur und Professor für Brückenbau in Rom, der neuartige Spannbetonkonstruktionen entwickelt hat, wie man leicht auf Wikipedia nachlesen kann, so man sich der Mühe der gewissenhaften Recherche unterzieht.
Sollen sich ArchitektInnen politisch engagieren, und wenn ja, in welcher Form soll das erfolgen, im Sinne einer Förderung der Baukultur?
Martin Treberspurg:Ja, unbedingt sollen sie das; aber als FachberaterInnen für alle PolitikerInnen in Bezug auf Ökologie und Raumplanung, wo Österreich einen massiven Fehlbedarf hat. Diese Fragen sollten wie das Thema Kernkraft von allen Parteien gleichermaßen vertreten (und mitgetragen) werden – und daher keine politische Streitfrage sein.
Martin Treberspurg, Treberspurg & Partner Architekten, Oktober 2018