Bereits in ihrer Masterarbeit, 2015, thematisierte die griechische Architektin und Künstlerin die Erhaltung des architektonischen Erbes anhand einer Untersuchung des brachliegenden Bahnhofsgeländes ihrer Heimatstadt Volos, das es mit seinen historischen Bauten zu bewahren, einer neuen Nutzung zuzuführen und durch eine parkartige Verbindung mit der Umgebung wiederzubeleben galt. Ein postgraduales Studium in Italien schloss sie 2016 mit einer Arbeit ab, „Bauen im Gebauten“, die den Unicampus im historischen Zentrum Neapels zum Untersuchungsgegenstand hatte; ein weiterer Auslandsaufenthalt führte sie nach Sevilla, Spanien. Ihre Arbeiten wurden in Ausstellungen in Griechenland gezeigt und umfassen zahlreiche Publikationen.
Vom erlaubten Unerlaubten
Nikoletta Panas vorbereitende Studien für ihre AIR Residency in Krems waren in ihrer griechischen Heimat auf ein Gebiet im historischen Stadtzentrum von Athen ausgerichtet und umfassen unter anderem eine Serie von Bildern, die einprägsame Eindrücke von Gebäuden vermitteln, die Teil des Griechischen Kulturerbes sind. Es sind Beispiele neoklassischer Architektur, Gebäude, die durch das Gesetz eigentlich geschützt sein sollten. Über die Jahre wurden von den Behörden jedoch zahlreiche Genehmigungen erteilt, die es ermöglichten, die architektonischen Charakteristika dieser Gebäude massiv zu verändern. Ziegelgedeckte Dächer wurden abgebrochen, Innenräume wurden in ihrer Gesamtheit verändert, neue Bauteile wurden hinzugefügt, ohne Bedachtnahme auf das bereits Bestehende. Es ist gängige Praxis, dass entgegen alle (auch international anerkannten) Übereinkünfte zur Denkmalpflege – Charta von Venedig, 1964 – gebaut wird, dass erwiesenermaßen sinnvollen theoretischen Vorgaben zur Restaurierung und Bewahrung des architektonischen Erbes zuwider gehandelt wird. Stellvertretend dafür stehen die Bilder von Bauten, bei denen der einzige Gebäudeteil, der noch „bewahrt“ wurde, ein kümmerlicher Fassadenrest ist.
Das architektonische Erbe sollte der nächsten Generation übergeben werden als ein Zeugnis architektonischer Stile, das widerspiegelt, wie Menschen gelebt haben und anhand dessen veranschaulicht wird, wie sich das Leben gewandelt hat bis hin zur Gegenwart. Mit welchem Beweggrund werden einerseits mehr oder weniger stellvertretende Versatzstücke von Gebäuden akribisch erhalten, wenn gleichzeitig massive, grundlegend verändernde Eingriffe an ihnen erzwungener Maßen vorgenommen werden, indem nicht entfernbare, nicht in sinnvollem Zusammenhang stehende Materialien und Konstruktionsmethoden bei Erweiterungsbauten zum Einsatz kommen? Durch das Modifizieren signifikanter Architekturen verändern Bauherrschaft und verantwortliche Behörde im Endeffekt Teile der geschichtlichen Überlieferung. Was ist in diesem Zusammenhang „gestattet“, und was überschreitet die Grenze zum „Unerlaubten“? In welchem Verhältnis stehen diese beiden zu einander? Wann wird durch Behörden zwar Sanktioniertes eigentlich zu Illegalem - gemäß gängiger Übereinkunft, gemäß dem gesunden Menschenverstand? Und wie bereit sind wir, unser kulturelles Erbe am Ende zu opfern im Namen des Profits?
Ausgehend von diesen Überlegungen und unter Mitnahme ihrer Bilder, kommt Nikoletta Pana nach Krems, um ihr Untersuchungskonzept auch hier anzuwenden. Dazu analysiert sie in Niederösterreich Gebäude aus derselben Epoche (19. Jhdt.), um Ähnlichkeiten und Unterschiede herauszuarbeiten bezüglich der Art und Weise, wie diese erhalten und welchen neuen Nutzungen sie zugeführt werden. Ergänzend soll eine Studie vor Ort aufzeigen, ob und wie zeitgenössische Neuerrichtungen in Dialog treten mit bereits Vorhandenem. Ziel der Arbeit ist, das in Athen ausgewählte Material dem in Österreich entstandenen gegenüberzustellen. Anhand von Bildern, Skizzen und historischen Ansichten, so solche Unterlagen zur Verfügung stehen, werden stellvertretende Beispiele herangezogen für ein Fazit zu den unterschiedlichen theoretischen Herangehensweisen und praktischen Ausführungen bei der Erhaltung des architektonischen Erbes, sowie bei der Errichtung neuer Bauteile in historischem Kontext.
Website - Nikoletta Pana: https://www.instagram.com/nikoletta_pn/
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ARTIST IN RESIDENCE
ORTE ist Projektpartner des „Artist in Residence“-Programms des Landes Niederösterreich. Seither haben sich zahlreiche internationale Architekt:innen, Landschaftsplaner:innen, Fachautor:innen und Kunstschaffende in Krems mit Baukultur beschäftigt.
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