Sven Borger diente nach seinem Abitur vier Jahre bei der Bundesmarine, durchlief dort eine Ausbildung zum Navigationsoffizier und wurde auf Fregatten eingesetzt. Danach folgte ein Aufbruch zu neuen Ufern, und er studierte an der Peter Behrens School of Arts in Düsseldorf Architektur und Innenarchitektur. Die Idee echte Stadt-Innenräume zu entwickeln - also Architektur, die mehr ist als nur Gebautes - bildete den Ausgangspunkt seines Studiums.
"Die Realität, die sich offenbart, ist eine reziproke. Die Poesie des Raumes weicht einer immer stärker werdenden Ökonomisierung. Die CI der Architektur bedient sich nicht mehr des genius loci. Sie definiert sich durch Uniformität und einen geradezu kindlichen Eklektizismus. Eine Ausnahme bilden nur noch gebaute Prestige-Denkmäler, die neben der Erfüllung Ihrer Funktion als Garant für ein fragwürdiges Stadtmarketing herhalten. Wie kann man sich dem entziehen?" (Sven Borger)
An diesem Punkt setzte Borgers Masterstudiengang der Raumstrategien an der Kunsthochschule in Weißensee an. Seine Arbeiten dort beschäftigten sich mit der Sensibilisierung des Einzelnen im Stadtraum. Thematisiert wurde das Erkennen eines Kleinods, das nicht ausschließlich harmonisch daherkommt, sondern die Mannigfaltigkeit einer Stadt auch in ihrem Diskurs zum Inhalt hat.
Daraus entstand die Idee einer Performance im Haus der Berliner Festspiele: „I SEE BUTTERMILCH“. Darin setzte sich Borger mit dem Thema Transparenz auseinander, und zwar an einem Ort, der stellvertretend für die Nachkriegsmoderne steht, also aus einer Zeit stammt, in der die Schrecknisse der Diktatur gestalterisch aufgearbeitet wurden. Die Auffassung vieler Architekten, die Architektur zu entideologisieren, findet sich dort wieder. Borger stellte in dieser Arbeit die Transparenz in der gebauten materiellen und der nichtmateriellen heutigen Umwelt zur Diskussion.
Seine darauf folgende Arbeit, „Pelargonium“ - Greifswalder Straße, befasste sich mit dem gebauten Erbe der DDR, ausgehend von der Frage, wie viele Bauten im Zuge der Wiedervereinigung verschwanden. Die Schnelligkeit der "politischen Hygiene" im Stadtraum ließ ein kritisches Nachdenken nicht zu; die Quintessenz war eine abermalige Abnahme an Identität. Die Auseinandersetzung mit dem individuellen Tun in einem Staat, der Unrecht trieb, blieb dadurch ungenutzt. Es entstand daraus ein düsterer Begriff von Heimat, begleitet von einer tief sitzenden Verlustangst; eine große Chance war vertan worden.
Daran anknüpfend, will sich Sven Borger während seines Aufenthaltes in Krems tiefer auf das Thema Heimat einlassen, sich diesem konkret nähern, indem er Menschen - einerseits unterschiedlicher Generationen, andererseits unterschiedlicher Herkunft - dazu befragen will. Dafür wird er in Krems und Wien geeignete Orte begehen. Angedacht sind dabei unter anderem das Wiener Bellaria-Kino, wo am Nachmittag Filme mit dem Themenschwerpunkt Heimat gezeigt werden, oder Flüchtlingsbegegnungsstätten, Kaffeehäuser, Bahnhöfe, Flughäfen etc. An solch spezifischen Orten will Borger mit Menschen ins Gespräch kommen, sich mit entweder einem strukturierten Interview oder mittels weniger offener Fragen dem Gedanken/Gefühl/Wesen von Heimat nähern. Die erhaltenen Antworten werden dokumentiert (Video, Tonband, Polaroid) und anschließend künstlerisch aufgearbeitet. Dies soll geschehen durch Anwendung konkreter oder abstrakter Mittel, unter Einsatz von Bild, Video und Ton, anhand verschiedener harter und weicher Materialien, was während des Entstehungsprozesses entschieden werden wird.
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ARTIST IN RESIDENCE
ORTE ist Projektpartner des „Artist in Residence“-Programms des Landes Niederösterreich. Seither haben sich zahlreiche internationale Architekt:innen, Landschaftsplaner:innen, Fachautor:innen und Kunstschaffende in Krems mit Baukultur beschäftigt.
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