Mitglieder im Gespräch
Hier werden Mitglieder von ORTE zum Interview gebeten und vorgestellt.
weiterlesen …Gabriele Schöberl im Gespräch
Warum sind Sie Architektin geworden bzw. warum betreiben sie jetzt Architektur? Erinnern Sie sich an den ersten Impuls, der zu Ihrer Berufswahl geführt hat?
Gabriele Schöberl: Als ich acht war, kauften meine Eltern in Reichenau an der Rax das historische Glashaus einer Gründerzeitvilla als Wochenendhaus. Mein Vater hat es dann selbst umgebaut, und ich erkannte rasch: Fliesen zu verfugen, fand ich schon damals spannender, als Lateinvokabel zu lernen. Jedoch erst nach Abschluss des klassischen Gymnasiums und einem einjährigen Auslandsaufenthalt in Paris reifte in mir die Gewissheit, vielleicht auch dann erst der Mut, Architektur zu studieren. Und seitdem liebe ich meinen Beruf, bietet er mir doch die Möglichkeit, Ideen und Träume in die Wirklichkeit umzusetzen.
Wenn Sie nicht Architektin geworden wären, wohin hätte Sie Ihre Leidenschaft beruflich sonst geführt?
Gabriele Schöberl: Wahrscheinlich in den Garten, als Gärtnerin, vielleicht als Gartengestalterin. Oder in die kreative Küche – wenn wir von Leidenschaft sprechen. Gestalten und Verändern, glaube ich, muss ein Teil meines Lebens sein.
Was würden Sie gerne planen oder gestalten, wenn Sie dazu absolut freie Hand und Muse hätten?
Gabriele Schöberl: Eine Schule, die auch den Kindern gefällt, und die sie mitverändern können. Ein Museum würde ich auch gerne noch einmal machen, das war schon eine spannende Bauaufgabe. Wobei ich auch die derzeitigen Projekte für die Lebenshilfe NÖ, bei denen die künftigen Benutzer:innen von Anfang an so intensiv eingebunden werden, sehr genieße.
Worauf war bei der Planung des Projekts „Ilse Fischer Werkstätte Berndorf“ für die Lebenshilfe besonderes Augenmerk zu richten, was war dabei die besondere Herausforderung?
Gabriele Schöberl: Schon das Grundstück selbst war eine Herausforderung, ist es doch sehr laut, an der vielbefahrenen B18 gelegen. Zudem ist es sehr tief situiert, war aber, bedingt durch die gestellte Bauaufgabe, trotzdem ebenerdig zu bebauen. Es sollten schlussendlich Räume entstehen, die mehr als nur Arbeitsstätten sind. Mit der von uns gewählten Abfolge von Häusern und Innenhöfen ist uns diese Abstufung von laut zu leise, von öffentlich zu privat, denke ich, gut gelungen, fühlen sich doch alle, die dort arbeiten, in den Räumen sehr wohl, wie uns immer wieder versichert wird.
Was wäre eine konkrete Bauaufgabe, die Sie dezidiert ablehnen würden, auch wenn die Rahmenbedingungen der Umsetzung stimmten?
Gabriele Schöberl: Ich würde alle Planungen ablehnen, bei denen ich mich nicht mit der Bauaufgabe identifizieren kann, wie z.B. ein Gefängnis, ein Abschiebezentrum oder einen Schlachthof; aber auch zu „große“ Bauaufgaben, denen ich mich nicht gewachsen fühle, wie beispielsweise einen ganzen Krankenhauskomplex.
Was würden Sie im Zusammenhang mit Ihrem beruflichen Umfeld gerne ändern können? Wo besteht diesbezüglich dringender Handlungsbedarf?
Gabriele Schöberl: Es gibt viel zu viele Regeln beim Bauen, auch völlig unnötige. Demzufolge ist „form follows paragraph“ in vielen Bereichen Wirklichkeit geworden, leider. Hier gilt es, Abhilfe zu schaffen.
Wie schätzen Sie Dynamik und Qualität des heimischen Architekturschaffens ein, im Vergleich mit anderen europäischen Ländern?
Gabriele Schöberl: In anderen europäischen Ländern bin ich bisher nur Architekturbetrachterin, noch nie Schaffende gewesen. Also ist mein Eindruck von Auslandssituationen vielleicht etwas oberflächlich. Dennoch verfügen wir nach meinem Gefühl in Österreich über eine vergleichsweise hohe Qualität, dort wo Architekt:innen eingebunden werden; dieser Zusatz ist mir wichtig.
Was meinen Sie, ist Baukultur? Welchen Stellenwert hat sie oder sollte sie in unserer Gesellschaft haben?
Gabriele Schöberl: Baukultur beschreibt die Qualität alles Gebauten. In hohem Maß betrifft das auch die Stadt- und Verkehrsplanung. Natürlich sollte der Stellenwert der Baukultur in der Gesellschaft viel höher sein. Unter der momentan niedrigen Bedeutung, die ihr beigemessen wird, unter den baulichen Ergebnissen, die das mit sich bringt, leidet ja nicht nur die derzeitige Gesellschaft, sondern noch viele Generationen nach uns.
Warum ist es so schwierig, für gute Architektur zu sensibilisieren? Oder anders gefragt: Warum klaffen Anspruch und Umsetzung im Bauwesen oft so weit auseinander?
Gabriele Schöberl: Ich denke, auch in anderen Gattungen, wie der Musik, aber auch in der Essens- oder der Gesprächskultur, klaffen hochkulturelle Ausformung und alltäglicher Kommerz - also theoretischer Anspruch und tatsächliche Umsetzung - auseinander, nicht nur in der Architektur. Auch mag es damit zusammenhängen, dass Architektur leider immer noch als etwas vermeintlich Elitäres angesehen wird, obwohl sie etwas Alltägliches sein sollte, das schließlich alle betrifft. Sie umgibt jeden ständig und wirkt so ganz selbstverständlich in alle Lebensbereiche des Einzelnen. Früh im Leben mit guter Architektur in Kontakt zu kommen, ist sicher ein guter Ansatz, um diesem Dissens entgegenzuwirken. Dahingehend kann eine qualitativ hochwertige Umsetzung bei Kindergärten und Schulen sicher ein wichtiger erster Schritt auf dem Weg in eine richtige Richtung sein.
Wie sind Sie auf uns aufmerksam geworden, und was wünschen Sie sich von ORTE?
Gabriele Schöberl: ORTE kenne ich schon lange. Es ist ja inzwischen ein fixer Bestandteil des Architekturgeschehens in Niederösterreich. Aufmerksam darauf bin ich durch die Architekturtage geworden, bei denen ich das erste Mal 2004 mitgemacht habe. Ich wünsche mir von ORTE weiterhin so interessante Publikationen, Exkursionen und Diskussionen wie bisher.
Gabriele Schöberl - Atelier Hochstraße, Juni 2018
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