Daniel Zimmermann
im Gespräch
Lieber Herr Zimmermann, Sie sind schon lange Mitglied bei ORTE. Wie kam’s – und was hat sich seither in Ihrer Wahrnehmung verändert?
Ich bin durch persönliche Kontakte zu ORTE gekommen. Damals empfand ich Niederösterreich als planerisch unterrepräsentiert – besonders, was den Diskurs über Landschaftsarchitektur und Außenräume betrifft. ORTE brachte da frischen Wind rein: etwa mit den GEH-Sprächen oder Veranstaltungen zu Bodenversiegelung und Klimawandel – das war und ist wirklich hilfreich. Auch bei „technik bewegt“ in den Schulen war ich gern dabei.
Heute ist die Rolle von Landschaftsarchitektur in Planungsprozessen leider noch immer nicht selbstverständlich. Solange sie nicht fixer Bestandteil jeder Projektidee ist, bleiben viele Vorhaben unfertig.
Was hat Sie eigentlich zur Landschaftsarchitektur geführt – oder war’s doch Landschaftsplanung?
Ich habe früh gewusst, dass ich in diese Richtung gehen will – mit 14 bin ich in die Gartenbauschule in Schönbrunn eingestiegen. Das kreative Gestalten mit Pflanzen und für Menschen hat mich einfach gepackt.
Landschaftsarchitektur und -planung sind zwei unterschiedliche Disziplinen: Die eine ist objektbezogen, die andere eher ordnend und übergeordnet. Natürlich gibt’s Übergänge – die Ausbildung an der BOKU startet beides gemeinsam. Aber dass diese Unterscheidung selbst in Fachkreisen oft verschwimmt, zeigt: Unsere Disziplin ist noch nicht wirklich angekommen.
Und wenn’s nichts mit Landschaft geworden wäre – wohin hätte es Sie sonst gezogen?
Da hätte es schon Alternativen gegeben – aber wie gesagt: Ich war früh auf Schiene. Mich haben Themen wie Gartengestaltung, Naturschutz in den Donauauen und Freiraumentwicklung im urbanen Raum einfach interessiert. Ich bin da ganz organisch reingewachsen.
Gab es prägende Vorbilder oder Epochen, die Sie inspiriert haben?
Definitiv. Frederick Law Olmsted zum Beispiel – wie er in der Gründungszeit Manhattans den Central Park geplant hat, war visionär. Oder Albert Esch, der sehr feine, klar strukturierte Gärten schuf. Er hat mir geholfen, das Zusammenspiel von Haus und Garten besser zu verstehen.
Auch Roland Rainer hat mich beeindruckt – vor allem mit seiner Siedlung in Wien-Mauer, wo ich aufgewachsen bin. Die Zonierung, das Erschließungskonzept, das gemeinschaftliche Grün – das war neu und hat mich geprägt.
Und natürlich viele Gärtner:innen mit botanischem Know-how – namentlich möchte ich Piet Oudolf erwähnen. Was er mit Gräsern und Stauden macht, ist lebendige Gestaltung.
Woran arbeiten Sie aktuell – was beschäftigt Sie besonders?
Bäume. In der Stadt, am Land, im Dorf. Konkret geht’s um Klimawandelanpassung und darum, wie wir Blau-Grüne Infrastruktur – und hier vor allem Schwammstadtbäume - in die gebaute Realität bringen. Die Schwammstadt für Bäume als Planungs- und Bauprinzip habe ich mit dem Kollegen Schmidt vor 13 Jahren aus Stockholm nach Österreich gebracht und ist soweit ein wichtiger und gut wiedererkennbarer Begriff. Vor allem Ortskerne und Straßenräume bieten enormes Potenzial.
Wir konnten zuletzt die Ortszentren von Lanzenkirchen und den Hauptplatz in Amstetten umgestalten – da ging’s genau darum: Lebensqualität schaffen und das Klima im Blick behalten.
Was müsste sich aus Ihrer Sicht dringend ändern – fachlich, gesellschaftlich, politisch?
Grün- und Freiräume brauchen mehr Wertschätzung – in der Wahrnehmung und in der Finanzierung. Ein Projekt ohne hochwertigen Außenraum ist einfach unvollständig. Ich sage immer: 5 % der Projektkosten müssen fix für den Freiraum reserviert werden. Alles andere ist unprofessionell – das ist Denken von vorgestern.
Wie spüren Sie die Auswirkungen der Klimakrise in Ihrer Arbeit – und wie reagieren Sie darauf?
Direkt und deutlich. Aber die öffentlichen Ausschreibungen reagieren oft zu träge. Interdisziplinäre Lösungen wären gefragt – aber viele Verfahren sind dafür nicht ausgelegt oder finanziell nicht machbar.
Was viele noch nicht begreifen: Der Klimawandel kommt schnell und verändert unseren Lebensraum massiv. Wir brauchen jetzt Maßnahmen, die Österreich auch in 100 Jahren noch lebenswert machen. Und dazu gehört eben auch: grün-blau denken.
Wie verändert das Klima konkret die Gestaltung – etwa bei Materialwahl, Bepflanzung oder Entwurfsideen?
Es braucht einen anderen Zugang. Materialien müssen hitze- und wasserresistent sein, Pflanzen trockenheitsverträglich und standortgerecht. Und wir müssen ständig dazulernen, uns weiterbilden – aber oft treffen wir auf Partner:innen, die da noch nicht mitziehen.
Wie gelingt heute gute Freiraumgestaltung – ökologisch sinnvoll, sozial inklusiv und gestalterisch hochwertig?
Indem man auf den Ort eingeht: Klima, Boden, soziales Umfeld. In Lanzenkirchen haben wir genau das gemacht. Der Wettbewerb war schon 2014, umgesetzt haben wir erst 2019/20 – aber das Warten hat sich gelohnt. Ein gelungenes Projekt, das vieles verbindet.
Wie erleben Sie die Zusammenarbeit mit anderen Disziplinen – fruchtbar oder eher mühsam?
Beides. Landschaftsarchitektur gewinnt an Bedeutung, wir übernehmen oft verbindende Aufgaben. Aber es fehlt noch immer die Selbstverständlichkeit – besonders in ländlichen Regionen. Da ist der Freiraum oft nur „nice to have“.
Kindergärten oder Schulen werden geplant – aber der Außenraum? Wird hintangestellt. Es fehlt die finanzielle Grundlage, damit unsere Arbeit ernst genommen wird und nicht als „Abwurfpaket“ endet. Vor allem in der Zusammenarbeit mit Architektur passiert das noch zu oft.
Zum Schluss: Wo sehen Sie den größten Handlungsbedarf – und gleichzeitig das größte Potenzial für eine zukunftsfähige Baukultur in Österreich?
Im Umgang mit dem Außenraum, im sensiblen Weiterbauen am Bestand – auch beim Erhalt von Bestandsbäumen – und bei echten, nachhaltigen Lösungen. Momentan ist noch viel zu viel Greenwashing im Spiel.
Daniel Zimmermann, ORTE-Mitglied, im schriftlichen Interview, Februar 2025.
Daniel Zimmermann studierte Landschaftsplanung und -architektur an der Universität für Bodenkultur Wien und leitet das Büro 3:0 Landschaftsarchitektur.
Er ist Mitgründer des Arbeitskreis Schwammstadt (gemeinsam mit Erwin Murer, Stefan Schmidt und Karl Grimm) sowie der Kooperation cuulbox (mit con.sens verkehrsplanung zt gmbh und Weatherpark GmbH), die sich dem klimaresilienten Planen und Gestalten widmet.
Mit der privaten Initiative KlimaKonkret setzt er sich für zukunftsfähige, lebenswerte Gemeinden und Städte ein – mit Blick auf die Herausforderungen des Klimawandels.
Neben seiner praktischen Arbeit lehrt er an der TU Wien und an der Universität für Bodenkultur Wien.