Karin Triendl
im Gespräch
Liebe Karin Triendl, Sie sind schon seit vielen Jahren Mitglied bei ORTE. Wie sind Sie seinerzeit auf ORTE aufmerksam geworden und wie nehmen Sie uns heute wahr?
Der erste Kontakt entstand über das Zweifamilienhaus in Hadersfeld, das als Holzbau viel Beachtung fand. Seither sind zahlreiche Projekte in Niederösterreich hinzugekommen, darunter Wohnbauten und einige Bildungsbauten, die aus unserer aktiven Wettbewerbstätigkeit hervorgegangen sind. Das ORTE Netzwerk unterstreicht unser gemeinsames Anliegen, Baukultur in der Region weiterzuentwickeln und bedeutet für uns auch Wertschätzung und die Anerkennung unserer Arbeit.
Wie kam es, dass Sie Architektur studiert haben? Erinnern Sie sich noch an Ihre Impulse dazu?
Ja, es ging dabei für mich in erster Linie um emotionale Aspekte. Die Faszination, wie Räume, Licht und Materialität uns ganz persönlich berühren.
Wohin hätte Sie Ihre berufliche Leidenschaft geführt, wenn Sie nicht ArchitektInnen geworden wären?
Es sollte etwas mit Gestaltung zu tun haben und ich hatte eine Zeit lang die Idee, in einem Sterne-Restaurant zu kochen… schlussendlich habe ich mich doch für die Architektur entschieden.
Gibt es eine Epoche oder eine Person in der Architekturgeschichte, die Sie inspiriert und die Anregungen für Sie oder überhaupt das heutige Bauen bieten könnte?
Während meines Studiums war das Rem Koolhaas. Seine konzeptionelle Herangehensweise und die Mischung aus Vernunft und Unvernunft waren für mich neu. Heute stehen wir vor einer großen Veränderung im Bauen und müssen festgefahrene Rezepte und Bauweisen hinterfragen und dabei offen sein für eine neue Ästhetik. Die Liebe zu nachhaltigen, ehrlichen Materialien und der Anspruch, mit wenigen Mitteln mehr zu erreichen, sind aber geblieben.
Welche Aufgaben beschäftigen Sie derzeit beruflich?
Wir beschäftigen uns im Büro vermehrt mit den Fragen, die die Klimakrise mit sich bringt. Weg von der Perfektion hin zu neuen Synergien und der Frage wie wir mit wenig viel erreichen können. Die letzten Projekte spiegeln diese Themen wider. Zum Beispiel bei der Umnutzung von Büroräumen in einen Kindergarten oder beim Holzbau für den ISTA Kindergarten in Klosterneuburg, der als Plusenergiehaus konzipiert wurde.
Was würden Sie - im Zusammenhang mit Ihrem beruflichen Umfeld - gerne ändern können?
Wir kämpfen leider viel zu oft mit unflexiblen Vorgaben und zahlreichen Normen, die unser Denken blockieren. Es sollte darum gehen, neue Sichtweisen zu entwickeln und um die Frage, wie wir in Zukunft leben wollen. Bei unseren Entwürfen versuchen wir daher immer, den Menschen und die Nutzer:innen in den Mittelpunkt zu stellen.
Zur regionalen Situation in Niederösterreich: Was sind die dringendsten Fragen, auf die die Architektur und Raumplanung in den nächsten Jahren wird Antworten liefern müssen?
Wie stellen wir uns Gemeinschaft vor und wie arbeiten und wohnen wir? Das Weiterbauen auf der grünen Wiese ist keine Option mehr – weder ökologisch noch ökonomisch. Die große Chance liegt im Bestand: Wir müssen ihn nicht nur als Ressource begreifen, sondern auch sein räumliches und soziales Potenzial nutzen. Bestehende Strukturen zu aktivieren, weiterzudenken und in neue Kontexte zu überführen, kann helfen, Orte wieder mit Leben zu füllen und sie zukunftsfähig zu machen.
Welche Auswirkungen hat die Klimakrise unmittelbar auf das Baugeschehen, was bedeutet sie für Architektur und Baukultur?
Wir haben festgestellt, dass bei den Projektzielen vermehrt Zertifizierungen und Prüfzeugnisse im Vordergrund stehen. Ziel sollte es aber sein, einfacher und sinnvoller zu bauen. Dabei geht es in Zukunft sicher auch darum, unsere hohen Ansprüche zu hinterfragen und die Potenziale im Vorhandenen zu erkennen. So kann das Bauen nicht nur ressourcenschonender, sondern auch innovativer und zukunftsfähiger werden.
Karin Triendl, ORTE Mitglied, im schriftlichen Interview, Juli 2025
Karin Triendl hat an den Technischen Universitäten in Innsbruck und Delft Architektur studiert. Sie führt gemeinsam mit Architekt Peter Larcher das Büro Work Space Architekten ZT GmbH mit Sitz in Wien und Innsbruck. 2012-2022 war sie Lehrbeauftragte an der TU Wien.