Martin Aichholzer
im Gespräch
Lieber Martin Aichholzer, Sie sind bereits seit geraumer Zeit Mitglied bei ORTE, das freut uns! Wie kam es, dass Sie einen planenden Beruf gewählt haben? Erinnern Sie sich an den Impuls dazu?
Mein Zeichenlehrer in der Schule war in seinem „Vorberuf“ Architekt. Er hat mit uns ein Mini-Architekturstudium durchgeführt, da wusste ich, das ist Meins.
Wohin hätte Sie Ihre berufliche Leidenschaft geführt, wenn Sie nicht Planer geworden wären?
In die Welt der Sport-Medizin, denn Sport war und ist meine Leidenschaft.
Gibt es eine Epoche oder eine Person in der Architekturgeschichte, die Sie inspiriert und die Anregungen für Sie oder überhaupt das heutige Bauen bieten könnte?
Die Ära nach dem Jugendstil und der Gründerzeit. Sie war geprägt von genialen „Suchenden“ wie Walter Gropius, Peter Behrens, Konrad Waxmann, die Bauhausbewegung. Zeiten des starken Wandels sind auch immer begleitet von wertvollen Innovationen. Ich denke, in so einer Zeit befinden wir uns gerade wieder.
Welche Aufgaben beschäftigen Sie derzeit beruflich?
Nachhaltiges Bauen, Holzbau, Forschung in den Bereichen Bauen mit biogen-basierten Materialien, kreislauforientiertes Bauen, Lebenszyklusbetrachtung. Als Lehrender trage ich auch an Unis und in Bildungseinrichtungen vor. Im ÖIAV leite ich die Sparte Architektur, die wir durch Vorträge und Veranstaltungen beleben.
Was würden Sie - im Zusammenhang mit Ihrem beruflichen Umfeld - gerne ändern können?
Ich würde gerne Regularien leichter ändern können und wünsche mir mehr Fairness im Wettbewerb.
Zur regionalen Situation in Niederösterreich: Was sind die dringendsten Fragen, auf die die Architektur und Raumplanung in den nächsten Jahren wird Antworten liefern müssen?
Wie können wir die Transformation im Sinne der 3 K’s (Kreislauf, Klimawandelanpassung und Klimaschutz) schaffen und dennoch das baukulturelle Niveau verbessern?
Wie können wir in den Regionen Zentren stärken und Habitate mit hohem Lebenswert schaffen?
Wie können wir die Versiegelung stoppen und die Orte trotzdem weiterentwickeln?
Und es gibt noch andere Fragen, die sich stellen: Welche Identität haben unsere Orte, wer oder was prägt diese?
Unsere Orte leben von der Bautradition, vom Maßstab, aber auch von der Materialität. Die Kunst besteht darin, mit den in der Umgebung zur Verfügung stehenden Mitteln des Ortes gute Architektur zu schaffen.
Wo sind die gebauten Zeugen unterschiedlicher Epochen, mit ihren typischen und unverwechselbaren Eigenheiten, die mit den Orten und ihren Bewohner:innen verbunden sind?
Es gibt viele lebendige historische Kerne, in denen die erhaltene Substanz zwar dominiert, aber teilweise transformiert wurde. Diese Symbiose aus Alt und Neu macht den Charme und die Qualität der Orte aus, die zum Verweilen und zum dortigen Leben einladen.
Welche Auswirkungen hat die Klimakrise unmittelbar auf das Baugeschehen, was bedeutet sie für Architektur und Baukultur?
Vieles dessen, was in den letzten 70 bis 80 Jahren etabliert wurde, stellt sich in Frage und man muss sich heutzutage mit wesentlich mehr Themen wie beispielsweise Energie beschäftigen. Der eingeleitete Transformationsprozess in der Architektur- und Baubranche verlangt nach breitem Zugang zu allen Themen die mit Bautätigkeit verbunden sind. Everthing matters - das macht es für alle Beteiligten aufwändiger, gute Lösungen im Sinne einer nachhaltigen Entwicklung zu finden. Es ist eine Chance, Baukultur aus dem Kontext im Kontext zu kreieren.
Martin Aichholzer, ORTE-Mitglied, im schriftlichen Interview, Dezember 2024.
Martin Aichholzer ist seit 1995 Mitbegründer und Geschäftsführer des Wiener Architekturbüro‘s MAGK ARCHITEKTEN. Er lehrt und forscht an der TU Wien und leitete den Master-Studiengang Architektur Green Building an der FH Campus Wien. Seit 2019 lehrt er Holzhybridbau an der Universität für Weiterbildung Krems. Der Fokus seines Büros liegt auf Wohn- und Schulbau sowie Sanierung und Forschungstätigkeit zum Bauen mit Regenerativen, zu Holzbau-Prozessen, Resilienz und Kreislaufwirtschaft.