Mitglieder im Gespräch
Hier werden Mitglieder von ORTE zum Interview gebeten und vorgestellt.
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Liebe Frau Eichlinger, gleich eine Frage zu den Anfängen: Wie bzw. wann sind Sie auf ORTE aufmerksam geworden?
Aufmerksam auf das Architekturnetzwerk ORTE wurde ich bereits im Laufe meines Architekturstudiums, näher kennengelernt habe ich ORTE dann im Jahr 2010, als ich beim Amt der NÖ Landesregierung das Referat „Ortsbildpflege“ übernommen habe und als einer der Fördergeldgeber mit der Geschäftsführerin Heidi Schlögl einen intensiven Austausch gepflegt habe.
Warum haben Sie Architektur studiert? Erinnern Sie sich an den ersten Impuls, der zu Ihrer Berufswahl geführt hat?
Der Vater meiner besten Schulfreundin war bzw. ist Architekt. Wann immer ich sie zu Hause besucht habe und an den Wänden die von ihm erstellten Pläne gesehen habe, war ich schwer beeindruckt und inspiriert. Zu dieser Zeit gab es diese kleinen bunten Alben, die wir Schulmädchen zum Hineinschreiben untereinander herumreichten. In diesen habe ich bereits damals bei der Frage: Was will ich einmal werden? – Architektin ausgefüllt.
Wenn Sie nicht Architektin geworden wären, wohin hätte Sie Ihre Leidenschaft beruflich sonst geführt?
Für jemanden, dem die Betreuung von in Not geratenen Tieren ein großes persönliches Anliegen ist, würde ich mich als heutiges Vorstandsmitglied eines Tierheims vielleicht für das Veterinärmedizinstudium entscheiden.
Mit welchen Aufgaben setzen Sie sich momentan beruflich auseinander?
Als Fachbereichsleiterin für Ortsbildschutz kreist im Grunde meine gesamte berufliche Tätigkeit um die Frage, wie erhaltenswerte bauliche Strukturen und die damit verbundene baukulturelle Identität bewahrt bzw. wie eine darauf aufbauende und zukunftsfähige Weiterentwicklung initiiert werden kann. Im regelmäßig erscheinenden Niederösterreich GESTALTE(N) Magazin, in dem wir einer breiten Öffentlichkeit dahingehend positive Beispiele vermitteln, versuchen wir dem unwiederbringlichen Verlust und der Überformung von intakten Bau- und Ortsstrukturen mit Überzeugungsarbeit entgegenzuwirken. Als Amtssachverständige für Ortsbildschutz sind wir, vergleichbar mit der MA 19 (Architektur und Stadtgestaltung) in Wien, in der ortsbildfachlichen Beurteilung von Bauvorhaben gutachterlich tätig.
Zur regionalen Situation in Niederösterreich: was sind die dringendsten Fragen, auf die die Architektur und Raumplanung in den nächsten Jahren wird Antworten liefern müssen?
Eine der größten Herausforderung jetzt und in der Zukunft wird sein, wieder neues Leben in die Ortskerne einziehen zu lassen und die oftmals leerstehende Bausubstanz nachhaltig mit Inhalten und Funktionen zu füllen. Die Hintergründe dieses im Prinzip weltweiten Leerstand-Phänomens sind unterschiedlich und bedürften demzufolge auch unterschiedliche Lösungsansätze. Aber einher mit einer forcierungswürdigen zentrumsbelebenden Innen- vor Außenentwicklung gingen gleich weitere positive Aspekte: Dies wäre der ressourcenschonende Umgang mit Grund und Boden durch die nur mehr begrenzt notwendige Nutzung von neuem Bauland. Zudem wäre auch ein großer Schritt in Richtung des unabdingbaren Paradigmenwechsels in Richtung Kreislaufwirtschaft gesetzt, denn die zielführendste und vor allem einfachste Maßnahme dahingehend wäre die grundsätzliche Vermeidung von Baurestmassen durch Gebäudebestandserhaltung.
Gibt es für Sie verwirklichte Beispiele von neugenutzten Leerstandsobjekten, die Sie inspiriert haben und die auch anderen entsprechende Anregungen bieten können?
Ja, durchaus! Zum Beispiel diese ehemalige Autowerkstatt, mitten im Zentrum einer Stadt und neben einem pittoresken Mühlbach gelegen, stand viele Jahre leer und war damit dem drohenden Verfall preisgegeben. Dank eines kulturaffinen Paares und des engagierten Architektenteams Hoffelner Schmid wurde es generalsaniert und zu einem Wohnobjekt von höchster Lebensqualität umgebaut. Nur unter dem Versprechen, die Liegenschaft in ihrem Bestand zu erhalten stimmte der Vorbesitzer dem Verkauf zu. Leider war es ihm nicht mehr vergönnt, die Transformation seiner alten Werkstatt in dieses wunderbare Familiendomizil zu erleben, aber die Weichen hierfür konnte er noch stellen.
Was würden Sie – im Zusammenhang mit Ihrem beruflichen Umfeld – gerne ändern können?
Oftmals bedauere ich, dass viele Gemeinden von den Instrumentarien, die das Raumordnungs- bzw. Baurecht bieten, zu wenig Gebrauch machen. So könnte z.B. der Abbruch von intakter und erhaltungswürdiger Bausubstanz durch eine Schutzzonenregelung untersagt werden bzw. lediglich auf Gebäudeteile beschränkt werden. Das hätte zur Folge, dass sich Immobilienentwickler viel mehr mit dem gegebenen Altbestand auseinandersetzen müssten und diese heute leider weit verbreitete sorglose Praxis des Abbruchs von historischen Bauten in Altstadtkernen zugunsten eines Neubaus eingedämmt werden könnte.
Ihr Tipp „für danach“, wenn wir wieder uneingeschränkte Reise- und Bewegungsfreiheit genießen dürfen: Den Besuch welchen Gebäudes können Sie architekturaffinen Menschen empfehlen? Welches Bauobjekt hat Sie persönlich zuletzt begeistert?
Absolut überzeugt hinsichtlich seiner funktionalen und pädagogischen Qualitäten hat mich vor Kurzem das neue Schulzentrum Gloggnitz von Architekt Dietmar Feichtinger. Mit seinem integrativen Konzept, die auf die heutigen Lernbedürfnisse abgestimmten Räumlichkeiten für die Volksschule, die Neue Mittelschule, Sonderpädagogik und Musikschule unter einem Dach zu vereinen, sowie die Erdgeschoßzone mit den Turn-, Musik- und Zeichensälen außerhalb der Schulzeiten auch für Externe nutzbar zu machen, stellt es einen Meilenstein im Bildungsbau dar. Auch architektonisch kann der Neubau mit seinen Innen- und Außenraumqualitäten mehr als punkten – sozusagen ein Schulbau mit Klasse!
Was wünschen Sie sich von ORTE, welchen Rat wollen Sie ORTE auf den weiteren Weg mitgeben?
ORTE plant und organisiert höchst informative Veranstaltungen. Leider hat man nicht immer Zeit an diesen überhaupt bzw. bis zum Schluss teilzunehmen. Die Möglichkeit, diese, wie z.B. das Symposium „Von unseren Kindern geborgt“, als Videoaufzeichnung zu einem späteren Zeitpunkt nachschauen zu können ist ein tolles Service. Mein Wunsch wäre deshalb, die Inhalte sämtlicher Informationsveranstaltungen auch weiterhin als Nachschau online zur Verfügung zu stellen. So könnte man wie in einem guten Buch immer wieder „nachschlagen“.
Petra Eichlinger, im Vorstand seit 2010, im schriftlichen Interview, März 2021
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