Thomas Eccli
im Gespräch
Lieber Thomas Eccli, Sie sind Mitglied bei ORTE, das freut uns! Wie sind Sie auf ORTE aufmerksam geworden?
Im Mai 2020 hatte ich eine architekturbegeisterte Gruppe bei mir zu Gast. Sie zeigten mir das ORTE-Buch „Architekturlandschaft Niederösterreich – Waldviertel“ und informierten mich, dass auch mein Haus darin abgebildet ist. Daraufhin bestellte ich gleich alle Bände und wurde Mitglied bei ORTE. Seither begleiten mich diese Bücher bei allen Ausflügen in Niederösterreich.
Haben Sie eine Idee, wie und wo sich ORTE in baukulturellen Vermittlungsfragen in Niederösterreich noch einsetzen sollte; oder sogar einen heimlichen Wunsch, welche Themen Sie aktiv bei ORTE einbringen möchten?
Nachdem ich nun in einem sehr kleinen Ort - „Unterthürnau“ (fünf Einwohner:innen) – das halbe Jahr zu Hause bin, beschäftige ich mich mit dem Aussterben der Orte. Es gibt viele leerstehende bzw. selten bewohnte Gebäude. Was den Ort aber nicht verlassen hat, ist der LKW-Verkehr, der tagtäglich mit hoher Geschwindigkeit durch diesen und andere kleine Orte rollt. - Das Thema Verkehr sollte auch in den Bereich Architekur aufgenommen werden. Es gibt Straßen und Brücken ohne Geh- und Radwege, auch in meinem Ort. Ebenso erstaunt es mich, dass überall neue landwirtschaftliche Gebäude entstehen, bei deren Errichtung anscheinend wenige Vorschriften zu berücksichtigen sind. Sie sind aber sicher auch ein Treiber der Bodenversiegelung.
Sie haben ein altes Haus im nördlichsten Waldviertel erworben und in den „Zweitwohnsitz“ verwandelt. Erzählen Sie uns bitte, wie es dazu kam und was den Bau so besonders macht.
Ich habe vor elf Jahren ein altes Haus in Unterthürnau unweit der Grenze zur Tschechischen Republik erworben. Geplant wurde dieses Haus1932/33 vom Architekten Erich Franz Leischner für den wohlhabenden Besitzer der nahegelegenen Mühle. Erich Franz Leischner war im Stadtbauamt Wien beschäftigt und ab 1945 auch dessen architektonischer Leiter.
Im Stil der neuen Sachlichkeit gebaut, passt sich das Haus nicht der ortsüblichen Gestaltung an, was nicht störend wirkt. Zudem hat das Haus vier komplett unterschiedliche Ansichten.
Zu meinem großen Glück fand ich am Dachboden eine Kiste, in der alle Pläne des Hauses aufbewahrt waren. Sämtliche Detailpläne, Kostenvoranschläge und Arbeitsprotokolle waren erhalten geblieben. Ein Jahr später habe ich dann durch einen großen Zufall auch den Nachlass von Erich Franz Leischner erworben. Mit allen diesen Dokumenten machte ich mich mit meiner Tochter Carolina Eccli, die Architektin ist, daran, das neue Konzept für das Haus zu entwickeln. Wir nahmen uns mehr als zwei Jahre Zeit für diesen Prozess, in dem wir das Haus auch bewohnten.
In Folge entschieden wir, alles wieder originalgetreu Instand setzen zu wollen. Entstanden ist der Zweitwohnsitz. Ein Zweitwohnsitz für viele, um den verlassenen Ort wieder zu beleben. In der Zwischenzeit habe ich vieles renoviert, aber noch lange nicht alles, denn der Zweitwohnsitz hat 1.100 m² verbaute Fläche, 76 Fenster, 52 Türen u.v.m. Über die Fassade denken wir noch nach. Ursprünglich war sie weiß.
Gibt es eine Epoche oder eine Person in der Architekturgeschichte, die Sie inspiriert und die Anregungen für das heutige Bauen bieten könnte?
Als ich jung war und nach Wien kam, begeisterten mich die Bauten von Otto Wagner. Von der Ausstellung „Traum & Wirklichkeit“ inspiriert, besichtigte ich viele Gebäude. Von Wagner gelangte ich zu Adolf Loos und dann zum Roten Wien. Auch Mies van der Rohes Villa Tugenhat hat mich sehr beeindruckt. Durch das Beschäftigen mit Architektur wurde mir das Weglassen und Reduzieren immer wichtiger und wie sich alles Gebaute in die Umgebung einfügt und dadurch bereichernd wirken kann.
Zur regionalen Situation in Niederösterreich: Was sind die dringendsten Fragen, auf die die Architektur und Raumplanung in den nächsten Jahren wird Antworten liefern müssen?
Wie hält man das Sterben der kleinen Orte auf? Oder müssen die kleinen Orte erst sterben, damit etwas Neues entstehen kann? Wie kann beispielsweise Unterthürnau für junge Menschen ein wünschenswerter Ort zum Leben werden?
Thomas Eccli, ORTE Mitglied, im schriftlichen Interview, Juni 2025
Thomas Eccli ist Unternehmensberater, Stiftungsvorstand und Eigentümer des Zweitwohnsitzes. Als Unternehmensberater ist er in den Bereichen Retail, Distributionsentwicklung, Analyse und Finanzen in Österreich und mehreren Ländern in Osteuropa tätig. Den Zweitwohnsitz, eine Mischung aus Hotel, Frühstückspension, Airbnb und Eventlocation, betreibt er seit sechs Jahren.