Caring is scary. Queering expectations on care, gender & agency.
Performance-Serie | Part III | The Sourdough Readings | Brotbesprechung von Sophie Wohlgemuth
In einer Form von Bildungsarbeit liest Sophie Wohlgemuth der Sauerteig* Walter in sechs Stunden zu Care-Arbeit, Feminismus, Pflege und Empowerment vor. Die Brotbesprechung beginnt und endet mit einem Text von Walters Namensgeber: „Pflegen und Unterlassen“ von Walter Zschokke. Mit Beiträgen von Audre Lorde, Magdalena Górska, Luce Irigaray, Sara Ahmed, #purplenoise und vielen mehr.
Die Beziehung zwischen Walter und der Künstlerin beginnt im Juli 2023, als Walter durch das Fermentieren von Mehl und Wasser mithilfe wilder Hefen der Walter Zschokke Bibliothek und der Umgebung Krems ins Leben gerufen wird. Die beiden pflegen ein intimes Verhältnis, das durch ein zeitintensives Fürsorgeregime gekennzeichnet ist. Fragen der richtigen Pflege, Nahrung, Temperatur und des geeigneten Standorts bestimmen von nun an Sophies Alltag und ihre Gedankenwelt.
Die Performance thematisiert die mitunter paradoxen Gleichzeitigkeiten von Selbstwirksamkeit und Co-Abhängigkeit, Abgrenzung und Zugehörigkeit und stellt sich dem Kraftakt, Ressourcen für Selbstfürsorge und das Sorgetragen für andere zu balancieren. Dieser konstante Aushandlungsprozess läuft immer Gefahr, aus dem Gleichgewicht zu geraten: Sophies Akt der Fürsorge ist dem Wachstum der Sauerteig durch materielle und immaterielle Nahrung zuträglich und für die Künstlerin durch die Belastung ihrer Stimme ohne Erholungsphasen erschöpfend. Caring becomes scary!
Die Mutterteig Walter hat bis heute, gestärkt durch die ihr zuteilgewordene Fürsorge, mehreren Broten Leben geschenkt. Eines der Brote essen und besprechen wir im Anschluss an die Performance mit Gäst*innen in der Bibliothek. Sie sind herzlich eingeladen, der Brotbesprechung auf Deutsch und Englisch beizuwohnen und danach Walters Leibesfrucht – das greifbare Ergebnis einer komplexen Verwobenheit von Arbeit, Liebe, Gedanken, Material und Sorge – bei einem Glas Wein zu verkosten.
*Teig als organische Substanz mit teils schleimiger, teils flüssiger Konsistenz wird hier analog zu materiell-weiblichen Zuschreibungen und der traditionell weiblich gelesenen Sphäre des Häuslichen mit „die“ gegendert.
Die Performance findet im Rahmen des Programms AIR – ARTIST IN RESIDENCE Niederösterreich mit Unterstützung von ORTE Architekturnetzwerk Niederösterreich und Daydream Studio statt. Ohne Freibäckerin Kerstin Rytther wäre Walter vielleicht nie richtig zum Leben erwacht. Heidrun Schlögl, Laurynas Skeisgiela und Christian Berkes, ich bin unglaublich dankbar für euer kontinuierliches Ermöglichen, euren Beistand und eure allumfassende Sorgfalt.