Der Europaplatz St. Pölten im GEHspräch
Geführter SpaziergangGanz in der Tradition der Promenadologie, die der Schweizer Soziologe Lucius Burckhardt begründet hat, veranstaltet ORTE seit vielen Jahren interaktive GEHspräche, um Orts- oder Stadtentwicklungen anhand von Gebautem und Ungebautem zu entschlüsseln. Beim gemeinsamen Gehen, Betrachten und miteinander Sprechen werden Maßstäblichkeiten wahrgenommen, rücken Bauten, Areale, Straßen wie Landschaften in die Wahrnehmung und bewirken ein Sensibler-Werden für den eigenen Lebensraum.
Im dialogischen GEHspräch, der sich 2025 dem Europaplatz widmet, der seit 2022 umgestaltet wird, erhalten Eigentümer:innen, Poitiker:innen, Planer:innen, Anrainer:innen und lnteressierte die Möglichkeit zum Kennenlernen und Fragen, zum Meinungs- und lnteressensaustausch.
Der Platz ist ein zentraler Knotenpunkt in der Stadt. Er liegt an der Schnittstelle historischer Wege: dem Schießstattring, der nach Norden in Richtung Krems führt und dem Schulring, der einen Teil der ehemaligen Verbindung Linz – Wien darstellte.
Der Platz hat Geschichte. Schon im 13. Jahrhundert verlief die Stadtbefestigung über den Platz, die in der Renaissance durch das Wilhelmsdorfer Tor (einem von drei Stadttoren) ausgebaut wurde. Auch in der berühmten Stadtvedoute von Balduin Hoyel 1623 ist das Tor mit dem Vorwerk gut identifizierbar. Da verwundert es nicht, dass an dieser strategisch markanten Stelle später neben dem vorstädtischen Friedhof auch eine Militärkaserne errichtet wurde. Im 19. Jahrhundert rückte die Stadt mit singulären Gebäuden allmählich an den Platz heran, wobei die Charakteristik eines einfaches Straßenkreuzes erhalten blieb. Erst im Zuge der Ideologie der autogerechten Stadt erfuhr der Europaplatz eine massive Veränderung. In den 1950er Jahren wurde der Kreuzungsbereich in Form eines weit ausladenden Kreisverkehrs samt mittiger Brunnenanlage neugestaltet. In weiterer Folge erforderte der zunehmende motorisierte Individualverkehr weitere Adaptierungen und mündete in den Ausbau der kreisförmig angelegten Kreuzung zu einer vielspurigen ampelgeregelten Kreuzung. Neben den unzusammenhängenden und belanglosen Gebäuden, die eher um den Platz herumstehen und ihm die Identität einer „Gegend“ verleihen als ihm Identität zu verleihen, ist vor allem das Jakob Prandtauer-Denkmal prägend. Der markante, aus dünnen Betonstreifen gerasterte Kopf des Architekten wurde anlässlich des 250. Todestages des österreichischen Barockbaumeisters von der Firma Porr 1976 gestiftet und errichtet. Den Anforderungen der Zeit entsprechend wurde der Kreisverkehr rückgebaut, die Nebenflächen erhielten eine Neugestaltung. So entstanden breitere Gehsteige, zusätzliche Radfahranlagen und neue Grünflächen. Einen besonderen Glanzpunkt bildet die in Kooperation mit koernoe realisierte Brunnenskulptur neben dem Jakob Prandtauer-Denkmal: Der „Windfänger“ von Breathe Earth Collective soll künftig einen Gegenpol zur dicht befahrenen Verkehrskreuzung darstellen. Die Ziegelskulptur bietet durch ihre bauliche Struktur einerseits einen Rückzugs- und Aufenthaltsort, andererseits erzeugt die Anordnung der Ziegel einen Iuft- und lichtdurchlässigen Rau, der mit der Umgebung korrespondiert. Durch ein Bewässerungssystem können die Ziegel heiße durchströmende Luft aus der Umgebung abkühlen, zugleich werden damit Verkehrslärm und Feinstaub reduziert.
Der Platz wirft eine Reihe von Fragen auf:
Wie wird der Platz von der Bevölkerung genutzt? Wie kann aus der „Gegend“ ein Platz werden? Wie kann ein von Durchzugsverkehr dominierter Stadtraum bürgernah gestaltet werden? Welche Rolle spielt die Kreuzung im Verkehrskonzept von St. Pölten? Gab es eine Verbesserung von Umweltfaktoren wie Lärm, Staub und Luftqualität?
Diese uns viele andere Fragen werden unter der Führung des Architekten Franz Denk aus dem ORTE-Vorstand gemeinsam mit Vizebürgermeister Harald Ludwig, Stadtplanungsleiter Jens de Buck und Verkehrsplaner Dieter Nusterer, Stadtplanerin Carina Wenda, Stadtpsychologin Cornelia Ehmayer-Rosinak, gestellt, diskutiert und einige davon auch beantwortet werden. Vielleicht schließt die Veranstaltung mit der Frage: Was würde Jakob Prandtauer zum Platz wohl sagen?
Die Teilnahme an der Veranstaltung ist kostenfrei, die Anreise erfolgt in Eigenregie.
Um Anmeldung wird unter office@orte-noe.at gebeten.
Es wird darauf hingewiesen, dass bei der Veranstaltung Fotos gemacht und zum Zweck der Öffentlichkeitsarbeit sowie der Dokumentation verwendet werden.