Gemeinschaftliches Wohnen – die Zukunft
ORTE vor Ort – BauvisiteIn der Reihe ORTE vor Ort werden herausragende Beispiele des Planens und Bauens in Niederösterreich vorgestellt.
Architektur: w30 Bauplanung und Innenarchitektur
Fertigstellung: 2021
2017 gründeten Jakob und Verena Anger das Projekt GeWoZu (Gemeinschaftlich Wohnen – die Zukunft), um mit Gleichgesinnten ihre Vision umzusetzen. Dazu brauchte es Baugrund, einen Architekten, ein Finanzierungsmodell und Menschen mit unerschütterlichem Glauben an die Sache, Einsatzbereitschaft und Durchhaltevermögen. Interessierte mussten einen Aufnahmeprozess durchlaufen.
Am Rand von Waidhofen an der Ybbs fand sich ein Grundstück mit 2.622 m² auf einem sehr steilen Hang, zwei Architekt:innen bat man um Entwürfe, das ortsansässige Büro w30 machte das Rennen. „Ich wollte immer schon ein gemeinschaftliches Wohnprojekt planen“, sagt Projektleiter Martin Pichler. Das Anforderungsprofil war klar: Ein Holzbau mit hohem Eigenleistungsanteil, zwölf Wohnungen voller Licht und Luft, außerdem eine Vielfalt an Gemeinschaftsflächen.
Das Haus gehört dem Verein seiner Bewohner:innen. Es wurde zu einem Drittel per Bankkredit, zu einem Drittel aus Eigenmitteln und zu einem Drittel aus einem Vermögenspool finanziert. Dort können Menschen, die das Projekt unterstützen wollen, einzahlen und ihr Geld verzinst zurückbekommen. Wer hier wohnt, zahlt eine moderate Miete an den Verein.
Budgettreue war besonders wichtig, das Grundstück besonders schwierig. Die Straße verläuft im Süden, es gilt Bauklasse II – also bis acht Meter Höhe, der Hang steigt bis zur nördlichen Grundgrenze stolze sechs Meter an. Ein geologisches Gutachten ergab, dass der Boden nicht tragfähig war, alles musste pilotiert werden. Es brauchte mantelverpresste Bohrpfähle und die Kosten stiegen. „Das war unverhältnismäßig teuer. Wir mussten den rechten Bauteil in seiner Größe reduzieren und brauchten den passenden Polier, der nicht nur weiß, was nicht geht, sondern was geht.“ Beim Innenausbau – wie Bodenlegen, Trockenbau, Elektro- und Haustechnik – gab es sehr viel Eigenleistung. „Das erfolgte auf Werkvertragsbasis und musste als Helferleistung frei gegeben werden.“
Das Terrassenhaus im Hang ist ein Hybridbau. Alle erdberührenden Bauteile und Decken sind aus recyceltem Beton, das Kellerfundament mit der Tiefgarage, in der de facto nur Fahrräder stehen, ist in den Hang geschoben.
Daneben liegt der Eingang mit der Garderobe für alle. Ein Fach pro Wohneinheit, Mäntel und Jacken in vielen Farben und Größen. Auf der Sitzbank des Fensters, durch das man auf die Straße sieht, kann man Straßen- gegen Hausschuhe austauschen. Das Haus ist nur mit Hausschuhen zu betreten, das stärkt das Zusammengehörigkeitsgefühl. Selbst, wenn man von der Gemeinschaftsküche im Erdgeschoß auf die Terrasse wechselt, warten an der Türschwelle die Crocks für alle, die sich im Steilgarten auf die Suche nach Heidel- und Himbeeren machen.
„Ich bekam zufällig einen Newsletter über das Projekt in die Hand und war sofort Feuer und Flamme“, sagt Barbara Moser, die nun mit ihren beiden Kindern hier wohnt. „Es muss wirklich nicht jeder sein eigenes Haus bauen, der Gedanke, sich gemeinsam Ressourcen zu teilen, gefiel mir auf Anhieb sehr.“ Michaela Stumpf ist extra wegen dieses Projekts
nach Waidhofen an der Ybbs gezogen. „Wir wollten ressourcenschonend leben und gemeinsame Ressourcen teilen. Hier soll und darf jeder seine Stärken einbringen, damit man als Gruppe wächst und stärker wird.“ Sie fühlte sich hier sofort wohl. Insgesamt leben hier nun zwanzig Erwachsene und 13 Kinder.
(Text: Isabella Marboe, erschienen in: GESTALTE(N) - Ausgabe 178)
Die Teilnahme an der Bauvisite ist kostenfrei. Die Anreise erfolgt in Eigenregie. Eine Anmeldung ist erforderlich unter office@orte-noe.at
Es wird darauf hingewiesen, dass bei der Veranstaltung Fotos gemacht und zum Zweck der Öffentlichkeitsarbeit sowie der Dokumentation verwendet werden.