Ober-Grafendorf im GEHspräch
Geführter SpaziergangGanz in der Tradition der „Promenadologie“, die der Schweizer Soziologe Lucius Burckhardt begründet hat, veranstaltet ORTE interaktive GEHspräche, um Orts- oder Stadtentwicklungen anhand von Gebautem und Ungebautem zu entschlüsseln. Beim gemeinsamen Gehen, Betrachten und miteinander Sprechen werden Maßstäblichkeiten wahrgenommen, rücken Bauten, Areale, Straßen wie Landschaften in die Wahrnehmung und bewirken ein Sensibler-Werden für den eigenen Lebensraum.
So ist auch das GEHspräch in Ober-Grafendorf ein dialogischer Rundgang, bei dem EigentümerInnen, PolitikerInnen, PlanerInnen, AnrainerInnen und Interessierte die Möglichkeit zum Kennenlernen und Fragen, zum Meinungs- und Interessensaustausch erhalten.
Es führt: Franz Denk, Architekt
In Begleitung von Bürgermeister Rainer Handlfinger.
Ober-Grafendorf liegt im Herzen des Mostviertels. Der Ort verdankt seine Entstehung der Lage am Kreuzungspunkt der alten, aus dem Pielachtal kommenden Salzstraße zur Donau und der in die ca. 10 km nahe Landeshauptstadt St. Pölten führenden Römerstraße. Bereits 1898 gab es hier eine Station der beliebten Mariazeller Bahn. Das historisch wertvolle Rokoko Schloss Fridau, die kleine Naturoase des nahegelegenen Ebersdorfer Sees oder die Mariazeller Bahn bilden lokale Anziehungspunkte. Seine günstige Lage im Speckgürtel der Landeshauptstadt ist vermutlich für die beeindruckenden Statistiken des Ortes mitverantwortlich: Hier gibt es 5 Schulen, rund 60 Landwirtschaftsbetriebe, 250 Unternehmen (darunter zwei große innovative Bauunternehmen, ein überregionaler Campinghandel und -verleih, ein bedeutendes Naturkosmetikunternehmen und eine Schokoladenmanufaktur) und 1.700 Arbeitsplätze.
Doch entwickelte die 4.700 EinwohnerInnen zählende Marktgemeinde darüber hinaus Projekte und Aktivitäten, die sie weit über ihre lokale Bedeutung hinausreichend bekannt gemacht haben. Wer weiß, dass in Ober-Grafendorf die weltweit erste Pilotanlage für Wirbelwasserkraftwerke steht?
Bei der Suche nach Bewältigungsstrategien für die zukünftigen Herausforderungen suchte man hier bereits früh nach Lösungen, die insbesondere die ökologische Nachhaltigkeit, aber auch aktuelle Fragen der Ortserneuerung, der Zentrumsentwicklung, von Standortfragen, Mobilitätsansprüchen und der Schaffung von leistbarem Wohnen betrafen. Erwähnenswert ist auch der Umstand, dass bei wichtigen Themen die BewohnerInnnen, KundInnen und Beschäftigten in partizipativen Prozessen und Befragungen beteiligt wurden und dass die Politik diese Ergebnisse auch ernst genommen hat. Unter anderem wurden in den letzten Jahren seit ca. 2015 folgende, teils österreichweit beachtete Projekte umgesetzt:
Beim innovativen Pilotprojekt „Ökostraße“ wurde ein effektives Regenwassermanagement für Straßen zur Bewässerung angrenzender Flächen und ohne Kanalableitungen entwickelt und auch umgesetzt, Dafür erhielt Ober-Grafendorf 2016 den österreichischen Energy Globe Award für Wasser und den europäischen Klimabündnis-Preis Climate Star.
Im Jahr 2016 untersuchte ein ortsräumliches Konzept der TU Wien (archipel architekten, Gerhard Rennhofer) mögliche Gestaltungen und Nutzungsszenarien und lieferte als „Masterplan Zentrumsbildung“ die Grundlage für weitere städtebauliche Ortsplanungen. Auf Basis einer umfangreichen Erhebung und Befragung wurde 2017 vom TU-Institut für Verkehrswissenschaften (Hermann Knoflacher, Harald Frey) ein Verkehrskonzept für Ober-Grafendorf erstellt. Neben E-Carsharing-Plätzen wurde vor allem die Fahrradinfrastruktur ausgebaut und wurden Radwege und -abstellplätze errichtet. Digitale Busfahrpläne sollten den Umstieg auf den öffentlichen Verkehr anregen.
Das Leuchtturmprojekt der Gemeinde stellt der neue Hauptplatz dar (Planung: schumacher.schindl.freiß), bei dessen Errichtung 2021 nicht nur eine dem Ortsmaßstab angepasste Neubebauung errichtet, sondern auch der gesamte öffentliche Raum klimagerecht umstrukturiert wurde. Über einer Tiefgarage entstand ein neues Ortszentrum mit geschäftlich genutzter Erdgeschoßzone und mit darüberliegenden Wohnungen und einem von der Bevölkerung gewünschten Ärztezentrum. Alle Dächer sollten begrünt ausgebildet werden. Um unterschiedliche Funktionen unterzubringen (Bauernmarkt, Treffpunkt, Aufenthalt, Schanigarten u.v.m.), wurde die Hauptstraße verlegt und der Platz vergrößert. Die gepflasterten Platzoberflächen wurden versickerungsfähig und rund um das renovierte gründerzeitliche „Rothaus“, dessen künftige Nutzung noch offen ist, unversiegelt ausgeführt. Das Platzmobiliar umfasst Trinkbrunnen, Pergola, Schattenspender und Sitzbänke. Die Bepflanzung wird von Sträuchern und Beeten gebildet und ergänzt den weitgehend erhaltenen historischen Baumbestand. Auch die Plätze rund um die Kirche und das Gemeindeamt wurden im Zuge der Zentrumsentwicklung erneuert und barrierefrei gestaltet. Die gelungene neue Platzfolge erzeugt eine angenehm ruhige und zurückhaltende Stimmung.
Neben stadträumlichen Themen beschäftigt sich der Ort auch mit einer Reihe von unternehmerischen, sozialen und sozioökonomischen Herausforderungen. 2019 veranstaltete der Ort einen von Andreas Krasser (Salzburger Institut für Raumordnung) durchgeführten Ge(h)staltungsdialog, den ORTE nun in breiterem Kontext vorstellen wird.
Die Teilnahme an der Veranstaltung ist kostenfrei, die Anreise erfolgt in Eigenregie. Vom Bahnhof Ober-Grafendorf sind es wenige Gehminuten bis zum Treffpunkt.
Bitte beachten Sie die aktuellen COVID-19 Maßnahmen!
Eine Anmeldung ist erforderlich unter office@orte-noe.at
Es wird darauf hingewiesen, dass bei der Veranstaltung Fotos gemacht und zum Zweck der Öffentlichkeitsarbeit sowie der Dokumentation verwendet werden.