Abschied von Jan Tabor
(1944–2021)
ORTE trauert um Jan Tabor, mit dem wir seit einem Vierteljahrhundert verbunden waren.
Als Architekturkritiker und Publizist für den Kurier, Falter sowie die Arbeiter-Zeitung und die Süddeutsche, als Ausstellungsmacher und Lehrender an der Akademie der Bildenden Künste in Bratislava und der Universität für angewandte Kunst Wien war er weit über die Grenzen bekannt und beliebt.
Mit Urbo Kune trat Jan für die Gründung der Hauptstadt der Vereinigten Staaten von Europa ein und hatte gemeinsam mit Studierenden dafür ein Manifest geschrieben. Gemeinsam mit seiner Tochter, der Radiojournalistin Anna Soucek, führte er viele Jahre das forum experimentelle architektur im Museumsquartier Wien, das tiefgreifende wie erfrischend unkonventionelle Auseinandersetzung mit Baukultur und Kunst ermöglichte.
Für ORTE kuratierte Jan zahlreiche Symposien unterwegs und ergründete mit uns sprichwörtlich das Bauen an der Grenze. Wir bereisten mit ihm und vielen Interessierten das Grenzland zu Tschechien, der Slowakei und Ungarn. Zwei oder drei Tage Exkursion fühlten sich an, als wäre man Wochen weg gewesen – so intensiv und enzyklopädisch war das von Jan mit Witz und Verve Erfahrene. Das Erkunden der Schlösser, Fabriken, kommunistischen Mustersiedlungen und Atomkraftwerksarealen war erhellend, doch besonders stark in Erinnerung bleibt sein Wissen über die Silos dies- und jenseits der niederösterreichischen Grenze. Jan sprach liebevoll von „Korntürmen“, die er kannte, wie kein Zweiter. Auch für dieses Jahr war, gemeinsam mit Anna Soucek, ein Symposium unterwegs geplant, das wir so, wie viel Anderes, nun leider nicht mehr mit ihm erleben können. Jan wird uns fehlen.
Unser tiefes Mitgefühl gehört seiner Familie!