1991 geboren und (teilweise) aufgewachsen in Mexiko City, übersiedelte Alan Ríos Cruz mit 12 Jahren nach Chicago (USA), kehrte vor Schulabschluss in seine Geburtsstadt zurück und studierte dort am Monterrey Institute of Technology and Higher Educations Architektur. Auslandsstudienaufenthalte führten ihn nach Tokyo und Seoul (Südkorea). Nach dem Studienabschluss in Mexiko City, 2016, beschäftigte er sich in seinem Heimatland - zunächst im Rahmen von Sozialprojekten - 2017 mit Design, Möbelherstellung und Architektur als künstlerischer Ausdrucksform; dabei wurde er Mitbegründer des Künstlerkollektivs WASA.
Im Zuge des MAK-Residence Programms (MAK Center for Art and Architecture mit Sitz im Schindler Haus in West Hollywood, LA) entstand 2018 in Los Angeles „The Machine Is Broken!“, eine Arbeit, in der WASA neue Wege des Verstehens und Schaffens privater Räume untersuchte und den Begriff des Wohnens [engl.: home] zunächst in eher theoretischer Form abhandelte, aber bereits auf eine kommende praktische Auseinandersetzung mit daraus abgeleiteten Themen verwies. Dies will der mexikanische Künstler nun in Krems aufgreifen, in einer Arbeit mit folgendem Titel:
„pri-va-se“
Privatheit – das Paradoxon unserer Zeit: Einerseits umgeben wir uns mit vier Wänden und einem Dach - ursprünglich, um über ein bestimmtes Maß an Privatsphäre zu verfügen -, andererseits bedienen wir uns Sozialer Medien, um unser Leben mit der Welt zu teilen, lassen diese via Bildschirm wissen, wo wir uns aufhalten, in Echtzeit daran teilhaben, was wir essen und mit wem wir gerade zusammen sind. Wir schließen die Rollläden vor dem realen Fenster, um alsgleich ein anderes zu öffnen, bei dem wir die Außenwelt erneut hereinholen. Zwar ist eine grundlegende Funktion der Architektur, Menschen Schutz zu bieten und das Gefühl zu vermitteln, vom Außen getrennt zu sein, dennoch verschwinden mit der Zeit Abgrenzungen so weit, dass wir schließlich rund um die Uhr mit allem und jedem verbunden sind und sich die Frage stellt: Gibt es, brauchen wir Privatheit noch im Leben, oder bedienen wir uns mit diesem Begriff nur mehr eines überkommenen Ausdrucks vermeintlicher Geborgenheit?
Während seines AIR-Aufenthaltes will Ríos Cruz aufzeigen, wie lose, wie vielschichtig Wechselbeziehungen innerhalb der Gesellschaft aber auch für jeden einzelnen sind und im Zusammenhang mit Privatsphäre wirkmächtig werden können. Das soll in Form eines experimentellen Projekts oder einer Installation umgesetzt werden, wobei er auf das Bezug nehmen will, was er als sogenannte „Grundeinheit von Privatheit“ bezeichnet. Seine Idee für Krems ist, unter Einbeziehung von Spiegeln in einem realen Raum, einen Pfad so anzulegen, dass auf diesem das tatsächliche Außen nach Innen dringen kann, dabei Soziale Medien und Technologien symbolhaft widerspiegelnd, ohne dass diese jedoch selbst zum Einsatz gebracht werden. Der Weg soll - Spiegel an strategischen Punkten enthaltend - so angelegt sein, dass jemand, der in einen Spiegel blickt, abhängig davon, wo er steht, den Eindruck bekommt, er hielte sich eigentlich in einem „anderen“ Raum auf, er sei physisch draußen, mental jedoch drinnen und umgekehrt.
Ríos Cruz will damit versinnbildlichen, dass wir zwar architektonische Elemente aus unseren Köpfen mehr und mehr entfernen, sie aber mit unseren Händen gleichzeitig unabdingbar immer noch errichten. Wir befinden uns physisch an einem Ort, mental jedoch an einem ganz anderen. Er bewertet das nicht, möchte aber einen Nachdenkprozess darüber anregen, welche Funktion und Wertigkeit gebaute Architektur heute hat. Dies will er daran aufzeigen, wie wir konkret in Räumen leben, wir wir diese erleben und wie wir uns in ihnen des Umstandes der Privatheit gleichzeitig bewusst aber auch nicht-mehr bewusst sind, und wie sich dies schlussendlich auf die Art und Weise auswirkt, wie wir die gebaute Umwelt wahrnehmen und letztendlich gestalten.
ORTE ist Projektpartner des „Artist in Residence“-Programms des Landes Niederösterreich. Seither haben sich zahlreiche internationale Architekt:innen, Landschaftsplaner:innen, Fachautor:innen und Kunstschaffende in Krems mit Baukultur beschäftigt.
Privatheit - das Paradoxon unserer Zeit: eine Installation des Mexikaners Alan Ríos Cruz, die aufzeigt, wie lose, wie vielschichtig Wechselbeziehungen innerhalb der Gesellschaft sind, die in lustvoller Weise zum Nachdenken darüber anregt, welche Funktion, welcher Stellenwert gebauter Architektur im digitalen Zeitalter beigemessen wird.
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