Mitglieder im Gespräch
Hier werden Mitglieder von ORTE zum Interview gebeten und vorgestellt.
weiterlesen …Andreas Pachner und Jürgen Heiß im Gespräch
.
Herr Architekt Pachner, Herr Heiß - wie sind Sie auf ORTE aufmerksam geworden und wie lange sind Sie sozusagen schon dabei?
Andreas Pachner: ORTE hat unsere Aufmerksamkeit schon vor etlichen Jahren geweckt. Durch die tollen Angebote, wie Architektur-Exkursionen und informative Beiträge über ortsgebundenes und innovatives Bauen, wurden wir auf das Architekturnetzwerk aufmerksam.
Zu den gegenwärtigen Umständen: Wie geht es Ihnen persönlich bei der praktischen Ausführung Ihrer Arbeit in dieser Krisensituation?
AP: Mir geht es persönlich sehr gut, da wir rechtzeitig in eine digitale Erneuerung investiert hatten und unsere MitarbeiterInnen problemlos und unmittelbar ins Homeoffice wechseln konnten. Somit ging es bei uns im Vollbetrieb weiter, was doch sehr beruhigend war.
Jürgen Heiß: Nach anfänglicher Unsicherheit auf den Baustellen und bei den Baubeteiligten - hat sich das Planungs- und Baugeschehen unter Beachtung der einzuhaltenden Sicherheitsmaßnahmen wieder einigermaßen „normalisiert“.
Welche Auswirkungen hat die COVID-19-Krise unmittelbar auf das Baugeschehen; was bedeutet sie für Architektur und Baukultur, so sie länger andauern sollte? Wird Ihrer Einschätzung nach etwas anders sein, wenn diese schwere Zeit überstanden ist?
JH: Die Auswirkungen kann man natürlich jetzt noch nicht umfassend abschätzen. Vermutlich aber wird ein Trend in Richtung weniger Büroflächen und mehr Desk-Sharing gehen, da man gemerkt hat, dass die Arbeit in vielen Branchen auch im Homeoffice gut funktioniert. Wir alle waren gezwungen, unseren Umgang mit digitalen Medien zu intensivieren, insgesamt bietet sich durch deren vermehrten Einsatz die Chance, den Arbeitsalltag künftig für alle Beteiligten am Baugeschehen effektiver zu gestalten.
Warum sind Sie Architekt geworden? Erinnern Sie sich an den ersten Impuls, der zu Ihrer Berufswahl geführt hat?
AP: Ich stamme aus einer Tischlerfamilie und habe seit frühester Kindheit Möbel /Objekte gebastelt. Dieses Bedürfnis, etwas zu gestalten, führte mich zur Architektur. Das Technische mit dem Kreativen zu verbinden, ist für mich seit jeher Motivation meines Tuns. In der Architektur, wie wir sie in unserem Büro verstehen und leben, sind diese beiden Eigenschaften untrennbar miteinander verbunden.
Wenn Sie nicht Architekt geworden wären, wohin hätte Sie Ihre Leidenschaft beruflich sonst geführt?
JH: Für mich gab es nie etwas anderes als Architektur zu schaffen und in die Selbständigkeit zu gehen.
Was würden Sie gerne planen oder gestalten, etwas das Ihnen in Ihrer Laufbahn noch nicht untergekommen ist, völlig ungeachtet dessen, ob es realistisch oder realisierbar ist?
AP: In meiner langjährigen Laufbahn ist es mir gelungen, viele unterschiedliche Projekte zu realisieren, weil wir sehr breit aufgestellt sind. Großbauvorhaben, Wohnbau, Einfamilienhäuser, Umbauten, Fußgängerbrücken und Platzgestaltungen konnten wir bereits verwirklichen. Mein großer Wunsch und Traum wäre es, ein Hochhaus zu planen und umzusetzen.
Was würden Sie - im Zusammenhang mit Ihrem beruflichen Umfeld - gerne ändern können?
JH: Wir sind gerade dabei, das Thema „BIM - Building Information Modelling“ zu forcieren und unsere Partner.Innen für dieses zukunftsträchtige Projekt zu motivieren. Ich bin der festen Überzeugung, dass diese Form der Arbeitsweise mehr Zeit für Architektur schaffen wird.
Was meinen Sie, ist Baukultur? Welchen Stellenwert hat sie oder sollte sie in unserer Gesellschaft haben?
AP und JH: Für uns ist Baukultur immer eine der Ausdrucksformen der Zeitspanne, in der man lebt, mit all ihren technischen Möglichkeiten, die auf die Architektur Einfluss haben.
Warum ist es so schwierig, für gute Architektur zu sensibilisieren, obwohl sich alle darauf Angesprochenen für Exper:innen auf diesem Gebiet halten?
AP: Gute Architektur wird nicht immer gleich auf den ersten Blick erkannt bzw. oft verkannt. Man muss sich intensiv mit den lokalen Gegebenheiten auseinandersetzen, in intensive Kommunikation mit der Bauherrschaft treten und die technischen Möglichkeiten der Zeit nutzen. Aus diesem sensiblen Entwicklungsprozess entsteht gute Architektur, die lebenswert ist und nicht der Selbstdarstellung dient.
JH: Die Bedeutung von guter Architektur wird von vielen EntscheidungsträgerInnen der Politik und des täglichen Lebens oft unterschätzt, bzw. wird ihr nicht der notwendige Stellenwert zuerkannt. Wir bemerken, dass politische Entscheidungen oft zulasten nachhaltiger Architektur gefällt werden.
Welches architektonische Werk hat Sie kürzlich begeistert?
AP: Das „Haus am Horn“ in Weimar aus der Bauhaus-Zeit. Es strahlt eine Modernität aus, die es mit der heutigen Architektur durchaus aufnehmen kann. Außerdem wurden schon damals - vor hundert Jahren - ausgewählte Materialien verwendet und man ist auf die Bedürfnisse des zukünftigen Wohnens eingegangen.
Inwiefern unterstützen oder behindern neuartige Materialien die Architektursprache?
JH: Architektur lebt von den verwendeten Materialien. Diese prägen die Architektur und spiegeln oft die technische Weiterentwicklung wider. Neuartige Materialien können die Architektur unterstützen und neue Perspektiven eröffnen. Es kommt wie immer auf die Anwendung an. Eine gekonnte Kombination verleiht einem Gebäude das gewisse Etwas und unterstützt die architektonische Formensprache. Innovation und Kreativität sollten dabei spürbar sein.
Zur regionalen Situation in Niederösterreich: Was sind die dringendsten Fragen, auf die die Architektur in den nächsten Jahren wird Antworten liefern müssen?
AP: Die Architektur der Zukunft muss sich mit den zentralen Themen „Leistbares Wohnen“ und „Leistbares Arbeiten“ auseinandersetzen; mit neu gedachten Wohnkonzepten, die den Bedürfnissen der Bewohner:innen gerecht werden. Die Herausforderung besteht in der Einfachheit und Nachhaltigkeit sowie in der Umsetzung - ohne dabei billig zu wirken. Wohnen als Wohlfühlfaktor ist ein wesentlicher Gesundheitsparameter. Uns war es von Beginn an ein Anliegen, diesen Ansatz im sozialen Wohnbau umzusetzen. Leider kommt es hier noch immer zu Spannungen mit Gesetzen und Normen, die das Schaffen von leistbarem Wohnraum verhindern.
Und konkret zu Tulln, was wäre in Ihrer Stadt ein architektonisches Anliegen, auf das Sie gerne aufmerksam machen wollten, ein baukulturelles Thema, das sozusagen unter den Nägeln brennt?
JH: Tulln ist eine lebendige und gewachsene Stadt mit historischen Wurzeln. Dieses Erbe wird behutsam gepflegt. Aber Tulln darf sich mehr trauen und „ja“ zu mehr Mut in der Architektur sagen, sich innovativ weiterentwickeln und Akzente setzen. Architektur ist immer ein Diskussionsthema und man sollte sich dieser Auseinandersetzung stellen.
Sollen sich ArchitektInnen politisch engagieren, und wenn ja, in welcher Form soll das erfolgen, im Sinne einer wirkungsvollen Förderung der Baukultur?
AP: Architektur ist politisch, denn Sie ist Ausdruck der Zeit. Man sollte aber nicht in parteipolitischem Denken verhaftet bleiben, sondern Visionen entwickeln, welche die Baukultur fördern. Durch engagiertes Tun in der Architektur und zielstrebiges Verfolgen von Visionen handelt man im besten Sinne politisch.
Was wünschen Sie sich von uns als Baukulturvermittlungseinrichtung, welchen Rat wollen Sie ORTE auf den weiteren Weg mitgeben?
AP und JH: ORTE braucht keine Ratschläge, denn der Verein arbeitet zukunftsorientiert und beispielgebend als Baukulturvermittlungseinrichtung. Dass dieser Weg konsequent weiter verfolgt wird, ist mein Wunsch, kommt uns dies doch allen zu Gute und bringt uns weiter. Danke für Ihr Engagement.
Andreas Pachner u. Jürgen Heiß - A quadrat ZT GmbH, Juni 2020
Hier werden Mitglieder von ORTE zum Interview gebeten und vorgestellt.
weiterlesen …