Mitglieder im Gespräch
Hier werden Mitglieder von ORTE zum Interview gebeten und vorgestellt.
weiterlesen …"Neue Räume – nachhaltig konzipiert, gründlich geplant, hochwertig umgesetzt" lautet der Leitgedanke von mönkemöller und kreppel Architekturbüro ZT OG aus Wien.
Unsere Fragen hat Anja Mönkemöller beantwortet.
Sie haben sich kürzlich entschlossen, ORTE in Form einer Mitgliedschaft zu unterstützen, was hat Sie dazu bewogen?
Das war zu Beginn der Corona-Zeit und wir hatten mit einem Mal das Gefühl, dass es jetzt notwendig sei, positive Signale zu setzen, an etwas anderes zu denken als an die Krankheit, zuversichtlich in die Zukunft zu schauen. Das Engagement und die Veranstaltungen von ORTE fanden wir schon immer gut und plötzlich war auch Zeit, sich um Dinge neben dem Berufsalltag zu kümmern.
Warum sind Sie persönlich Architektin geworden? Erinnern Sie sich an den ersten Impuls, der zu Ihrer Berufswahl geführt hat?
Ich wusste schon als Kind, dass ich später selbstständig sein wollte, vermutlich weil in meiner Familie alle selbstständig waren. Für die Architektur habe ich mich entschieden, weil der gestalterische Aspekt meinen Neigungen entgegenkam. Dass der Beruf so vielseitig ist, habe ich mit der Zeit erkannt und daran freue ich mich immer aufs Neue.
Wenn Sie nicht Architektin geworden wären, wohin hätte Sie Ihre Leidenschaft beruflich sonst geführt?
Schon immer habe ich mich zu Pflanzen und Tieren hingezogen gefühlt. Daher wollte ich zuerst Biologie studieren. Als mir dann klar wurde, dass das Studium sehr naturwissenschaftlich ist und wenig kreativ, fiel die Entscheidung auf die Architektur. Trotzdem versuche ich, wenn es die Bauaufgabe erlaubt, Pflanzen und Gebäude zusammenzubringen.
Mit welchen Aufgaben setzen Sie sich momentan beruflich auseinander?
In letzter Zeit sind wir überwiegend mit Bauen im Bestand beschäftigt, sanieren Gemeindebauwohnungen in Wien und versehen sie mit zeitgemäßen Grundrissen, wir ergänzen einen alten Streckhof mit einem neuen Wohn- und Geschäftsgebäude in Mannersdorf und wir renovieren und erweitern ein kleines Wohnhaus im Ortsverband von Altenberg. Der Umgang mit der bestehenden Bausubstanz erfordert ein gewisses Einfühlungsvermögen und bringt auch immer wieder Überraschungen mit sich. Das Thema Bauen im Bestand ist in vielerlei Hinsicht relevant: In der Stadt wird Wohnraum geschaffen, ohne dass weitere Flächen verbraucht werden, am Land ist es erfreulich zu sehen, wenn ein leerstehendes Gebäude wieder belebt wird, was Auswirkungen auf den ganzen Ort haben kann.
Zu den gegenwärtigen Umständen: Wie geht es Ihnen persönlich bei der praktischen Ausführung Ihrer Arbeit in dieser Krisensituation?
Nach der ersten Schockstarre, die auch unsere Baustellen lahmlegte, ging es bald wieder weiter, wenn auch nicht mit der gleichen Geschwindigkeit. Das Virus hat die Terminpläne aufgemischt und wir sind bis jetzt noch nicht wieder ganz im Takt. Trotzdem möchten wir uns nicht beklagen, denn im Gegensatz zu anderen Berufen, können wir weiterarbeiten.
Welche Auswirkungen hat die COVID-19-Krise unmittelbar auf das Baugeschehen, was bedeutet sie für Architektur und Baukultur, so sie länger andauern sollte? Wird Ihrer Einschätzung nach etwas anders sein, wenn diese schwere Zeit überstanden ist?
Die ganze Tragweite der Auswirkungen werden wir erst in den nächsten Jahren erkennen. Es zeichnet sich eine Neuaufteilung des städtischen Raumes ab. Manche Veränderungen werden beschleunigt: Der Ansatz, den FußgängerInnen und RadfahrerInnen mehr Raum zu geben, war schon vor Corona da und wird jetzt offensichtlich forciert. Für die Innenstädte werden neue Konzepte notwendig sein, da die Nutzung durch Handel und Tourismus stark zurückgegangen ist und vielleicht auch nicht mehr das frühere Ausmaß erreichen wird. Das ist aber auch eine große Chance, da mit Architektur immer eine Antwort auf veränderte Handlungsmuster gefunden werden kann.
Zur regionalen Situation in Niederösterreich: Was sind die dringendsten Fragen, auf die die Architektur in den nächsten Jahren wird Antworten liefern müssen?
Der schnell fortschreitende Flächenverbrauch ist ein wichtiges Thema, täglich verschwindet zu viel wertvoller Ackerboden für immer. Hier ist nicht nur die Architektur gefragt, sondern vor allem auch die Politik. Bei diesem Thema ist ORTE ja bereits aktiv – ich denke an das jährlich stattfindende „Symposium zur Raumplanung“. Auch ein Grund, warum wir ORTE-Mitglied geworden sind! Weil wir dieses Thema derzeit auch konkret bearbeiten: So viele Orte in Niederösterreich sind vom Leerstand der Häuser im Ortskern gezeichnet. Hier liegt aus unserer Sicht ein riesiges Potenzial. Ein wichtiger Schritt wäre es, die Flächenwidmungen nicht mehr auf Gemeindeebene durchzuführen, sondern Entwicklungskonzepte im größeren Zusammenhang zu erarbeiten und endlich der Nachverdichtung des Ortskerns den Vorrang zu geben.
Gibt es für Sie eine Epoche oder eine Person in der Architekturgeschichte, die Sie inspiriert und die Anregungen für das heutige Bauen bieten kann?
Der deutsche Architekt Egon Eiermann (1904–1970) hat Häuser mit einer sehr leichten und heiteren Anmutung geschaffen, deren Fassaden in mehrere Schichten aufgelöst sind. Trotz des technischen Charakters seiner Gebäude hatte er immer den menschlichen Maßstab im Blick. Für das heutige Bauen bieten mehrschichtige Fassaden die Möglichkeit, Gebäude zu verschatten und zu begrünen, ein ganz aktuelles Thema!
Der Glaube an eine positive Zukunft war in der europäischen Nachkriegszeit gesellschaftlicher Konsens. Es wäre schön, wenn wir zu dieser Haltung zurückfinden.
Was würden Sie gerne entwerfen/gestalten, völlig ungeachtet dessen, ob es realistisch oder realisierbar ist? Welche noch nicht gestellte Bauaufgabe würde Sie reizen?
Auch wenn das keine Bauaufgabe ist, so träume ich zuweilen vom Abreißen und Lückenschaffen, vom Leerlassen und Rückbauen. Die Leere ist schön, weitet den Blick und schafft Platz für Neues!
Was würden Sie – im Zusammenhang mit Ihrem beruflichen Umfeld – gerne ändern können?
Noch immer sind Frauen in der Baubranche völlig unterrepräsentiert. Außer mit Auftraggeber:innen habe ich selten mit anderen Frauen zu tun – schade!
Nachdem Sie auch international tätig sind (Steinenbronn / D), wie schätzen Sie Dynamik und Qualität des heimischen Architekturschaffens ein – im Vergleich mit anderen europäischen Ländern?
In Süddeutschland, wo wir gebaut haben, ist es durchaus üblich, dass auch kleinere Unternehmen verhältnismäßig viel Geld in die Hand nehmen, um sich einen architektonisch hochwertigen Firmensitz errichten zu lassen. Diese Haltung findet sich z.B. auch in Vorarlberg, in Ostösterreich scheint sie noch weniger verbreitet zu sein, wir geben aber die Hoffnung nicht auf!
Welche Rolle spielen Architekt:innen heute in der Gesellschaft?
Wir müssen aufpassen, dass wir überhaupt noch eine Rolle spielen. In Fernsehfilmen werden Architekten gerne als selbstbewusste, wohlhabende, Tag und Nacht arbeitende Machtmenschen dargestellt. In der Realität wird seitens der großen Baukonzerne zunehmend versucht, die ArchitektInnen aus dem Baugeschehen zu verdrängen. Beim Bauen am Land wiederum gelten ArchitektInnen als kompliziert und teuer, da wird oft den Baumeistern und ausführenden Firmen mehr vertraut als uns.
Wir stellen immer wieder fest, dass viele Menschen gar nicht wissen, worin unsere Arbeit besteht, wie komplex und umfassend sie ist und welchen Mehrwert sie bekommen, wenn sie ArchitektInnen beauftragen.
Sollen sich Architekt:innen darüber hinaus politisch engagieren, und wenn ja, in welcher Form soll das erfolgen, im Sinne einer Förderung der Baukultur?
Wir sollten bei uns selbst beginnen, die Welt zu verändern, mit den Möglichkeiten, die uns zur Verfügung stehen. Wie platziere ich ein Gebäude auf dem Grundstück, welche Materialien verwende ich, was geschieht mit den nicht bebauten Flächen, welche Technik kommt zur Anwendung? Eigentlich alle Entscheidungen, die wir bei einem Projekt treffen, betreffen die Umwelt und sind damit auch gesellschaftlich relevant. Die Entscheidung zugunsten einer nachhaltigen/ökologischen Lösung ist nicht immer die einfachste oder billigste. Da müssen die Auftraggeber:innen mitziehen, ebenso wie die ausführenden Firmen. Hier ist noch viel Überzeugungsarbeit zu leisten!
Ihr Tipp „für danach“ (wenn wir wieder uneingeschränkte Reise- und Bewegungsfreiheit genießen dürfen): Den Besuch welchen Gebäudes können Sie Architekturaffinen empfehlen, welches Bauobjekt hat Sie persönlich zuletzt begeistert?
Wir waren im August in Lunz am See und haben uns die Seebühne angeschaut, eine Zusammenarbeit des Künstlers Hans Kupelwieser mit werkraum Ingenieure. Eine geniale Arbeit! Ein Werk zwischen Architektur und Skulptur, das sich schön in die umgebende Seelandschaft einfügt, den unterschiedlichsten Nutzungen gerecht wird (tagsüber Freibad, abends Konzertbühne) und dabei noch statisch-konstruktiv raffiniert gelöst ist.
Was wünschen Sie sich von ORTE, welchen Rat wollen Sie ORTE auf den weiteren Weg mitgeben?
Ich wünsche mir, dass ORTE die notwendige finanzielle und gesellschaftliche Unterstützung bekommt, um auch weiterhin durch Veranstaltungen, Publikationen und Exkursionen den Wert von Architektur, Städtebau und Raumplanung einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich zu machen.
Anja Mönkemöller, mönkemöller und kreppel Architekturbüro ZT OG, September 2020
Hier werden Mitglieder von ORTE zum Interview gebeten und vorgestellt.
weiterlesen …