Gabriele Hochholdinger-Knauer und Franz Knauer
im Gespräch
Liebe Gabriele Hochholdinger, lieber Franz Knauer, Sie sind schon seit vielen Jahren Mitglied bei ORTE. Wie sind Sie seinerzeit auf ORTE aufmerksam geworden und wie nehmen Sie uns heute wahr?
Es gab keinen speziellen „Beginn“. Auf Grund unserer jahrelangen planerischen Tätigkeit in Niederösterreich, haben sich unsere Wege einfach oft gekreuzt. ORTE hat Führungen zu unseren Bauwerken organisiert, einige Preise durften wir in Niederösterreich entgegennehmen. Eine formelle Mitgliedschaft war daher nur ein logischer Schritt. Die heutige Wahrnehmung: ORTE ist das anerkannte und engagierte „Sprachrohr“ für zeitgenössische Architektur in Niederösterreich.
Wie kam es, dass Sie Architektur studiert haben? Erinnern Sie sich noch an Ihre Impulse dazu?
FK: Mir haben die Bildnerischen Fächer in der Schule immer gut gefallen und im Fach Darstellende Geometrie war ich auch ziemlich gut. Mein damaliger Zeichenlehrer hat mich sehr zu einem künstlerischen Weg motiviert. Außerdem erinnere ich mich noch an einen Besuch im Haus eines Freundes meiner Eltern. Es war als offener Grundriss auf unterschiedlichen Niveaus in Split-Level-Anordnung konzipiert. Ich war damals ca. 14 Jahr alt und fasziniert.
GH: Mich faszinierten von frühester Kindheit Räume, die eine außergewöhnliche Atmosphäre, besondere Materialien, einprägsame Formen hatten.
Wohin hätte Sie Ihre berufliche Leidenschaft geführt, wenn Sie nicht ArchitektInnen geworden wären?
GH: Zur Archäologie
FK: Zur Musik
Gibt es eine Epoche oder eine Person in der Architekturgeschichte, die Sie inspiriert und die Anregungen für Sie oder überhaupt das heutige Bauen bieten könnte?
Wir glauben nicht, dass man das an einer Epoche oder an einer Person im Speziellen festmachen kann. Bauen war immer mit einem großen finanziellen Aufwand und persönlichem Einsatz verbunden und spiegelt daher die gesellschaftlichen Gegebenheiten seiner Zeit wider. Das gilt für den sozialen Wohnbau in Wien genauso wie für die absolutistischen Repräsentationsgebäude des Barocks oder die Grands Projets in Paris der 1980er Jahre.
GH: Der Raumplan von Adolf Loos
FK: Jetzt muss ich mir allerdings selbst widersprechen, da mir in diesem Zusammenhang doch ein in Erinnerung gebliebenes Ereignis wieder einfällt: Während meiner Studienzeit bekam ich eine Ausgabe des französischen Magazins L’Architecture d’aujourd‘hui in die Hand, in dem verschiedene Wettbewerbsbeiträge und das umgebaute und renovierte Théâtre Municipal in Belfort von Jean Nouvel publiziert waren. Da blieb mir auf Grund des radikalen Entwurfsansatzes schlichtweg die Luft weg. Das Heft habe ich heute noch.
Welche Aufgaben beschäftigen Sie derzeit beruflich?
Hauptsächlich Um- und Zubauten bzw. Erweiterungen und Sanierungen von Bestandsgebäuden, denkmalgeschützte Bauwerke und Museen. Auftraggeber:innen sind sowohl öffentliche Institutionen als auch private Personen.
Was würden Sie - im Zusammenhang mit Ihrem beruflichen Umfeld - gerne ändern können?
Die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen für Wettbewerbe sollten überdacht werden.
Zur regionalen Situation in Niederösterreich: Was sind die dringendsten Fragen, auf die die Architektur und Raumplanung in den nächsten Jahren wird Antworten liefern müssen?
Zersiedelung, Ortskerne ohne Leben!
Bürgermeister:innen sollten in baurechtlichen und ortsplanerischen Belangen noch mehr unterstützt werden bzw. Kompetenzen an das Land abgeben, auch zu ihrem eigenen Schutz vor diversen Begehrlichkeiten aus dem direkten Umfeld – Stichwort Umwidmungen.
Und es gibt noch andere Fragen, die sich stellen: Welche Identität haben unsere Orte, wer oder was prägt diese?
Im Idealfall gibt es vielerorts noch eine halbwegs intakte Ortsmitte, wobei intakt sich meist auf die historisch gewachsene Bausubstanz bezieht und nicht auf die ehemals vorhandene Infrastruktur (Geschäfte, Handwerk). Die Versorgungseinheiten befinden sich heute im Speckgürtel der Orte, der Bestand wird nicht weiter genützt. Der Individualverkehr wird auch die nächsten Jahre dominieren. Eine Verbesserung des Ist-Zustandes wäre vielleicht durch eine verstärkte Förderung von genossenschaftlichen Organisationsstrukturen vorstellbar. Das könnte sowohl den Verkehr als auch Wohnen und Infrastruktur positiv beeinflussen.
Wo sind die gebauten Zeugen unterschiedlicher Epochen, mit ihren typischen und unverwechselbaren Eigenheiten, die mit den Orten und ihren Bewohner:innen verbunden sind?
Überall! Da braucht man nur mit dem Auto durch Einfamilienhaussiedlungen zum nächsten Supermarkt am Ortsrand fahren. Aber: Hat dieser Zeitzeuge unserer Gesellschaft genauso geschichtlichen Bestand wie ein über Jahrzehnte bzw. Jahrhunderte gewachsenes, geschlossenes Straßenensemble? Vermutlich nein. Übertriebener Pessimismus ist nicht angebracht. Kreative Köpfe haben oft nachhaltige Antworten auf aktuelle Herausforderungen gefunden.
Welche Auswirkungen hat die Klimakrise unmittelbar auf das Baugeschehen, was bedeutet sie für Architektur und Baukultur? Die Klimakrise ist unserer Meinung nach ein wichtiger, aber bei weitem nicht der einzige Parameter, der die Form unseres Zusammenlebens beeinflusst. Kriegerische Auseinandersetzungen, wirtschaftliche Verwerfungen, gesellschaftlicher Dissens und international zunehmend autoritäre Staatsstrukturen beeinflussen mindestens genauso stark eine Gesellschaft, deren Kulturverständnis und somit auch die Baukultur.
Gabriele Hochholdinger-Knauer und Franz Knauer ORTE Mitglieder, im schriftlichen Interview, April 2025.
Gabriele Hochholdinger-Knauer hat Architektur in München studiert und in verschiedenen Architekturateliers in München und Wien gearbeitet. Sie ist Partnerin und Gesellschafterin von Knauer Architekten ZT GmbH.
Franz Knauer hat Architektur in Wien studiert und in Architekturateliers in Paris, Berlin und Wien gearbeitet. 2018 gründete er Knauer Architekten ZT GmbH.