Mitglieder im Gespräch
Hier werden Mitglieder von ORTE zum Interview gebeten und vorgestellt.
weiterlesen …Die beiden Architekten Rüdiger Lainer und Oliver Sterl im Gespräch
Herr Lainer, wie sind Sie auf ORTE aufmerksam geworden und wie lange sind Sie sozusagen schon dabei?
Rüdiger Lainer: ORTE begleitet uns schon seit der Gründung 1994. 2004 konnten wir unseren damaligen Neubau der Wirtschaftskammer Niederösterreich in St. Pölten im Rahmen von Führungen und Veranstaltungen auch im ORTE Architekturnetzwerk präsentieren.
Herr Sterl, zu den gegenwärtigen Umständen: Wie geht es Ihnen persönlich bei der praktischen Durchführung Ihrer Arbeit in dieser Krisensituation?
Oliver Sterl: Die geänderten Arbeitsbedingungen sehen wir als Herausforderung aber auch als Chance. Der Großteil unserer Mitarbeiter arbeitet seit 16. März 2020 im Homeoffice. Wir halten mit einer kleinen Rumpfmannschaft in unserem Büro in der Bellariastraße die Stellung. Die Kommunikation mit Mitarbeitern, Bauherren und Konsulenten erfolgt mittels Mail, Telefon und Video-Konferenz. Das funktioniert etwas langsamer als gewohnt - aber es funktioniert.
Welche Auswirkungen hat die COVID-19-Krise unmittelbar auf das Baugeschehen; was bedeutet sie für Architektur und Baukultur, so sie länger andauern sollte? Wird Ihrer Einschätzung nach etwas anders sein, wenn diese schwere Zeit überstanden ist?
OS: Unmittelbar sehen wir, dass Baustellen eingestellt wurden, Projekte sich verlangsamen und die Genehmigungsabwicklung mit den Behörden erschwert funktioniert. Wie die Geschichte ausgehen wird und vor allem, wann wir das überstanden haben werden, lässt sich zurzeit von niemandem seriös beantworten. Als Architekten, Stadtplaner und Berufsoptimisten sehen wir trotzdem neugierig in die Zukunft.
Welche aktuellen Bauaufgaben beschäftigen Sie, bzw. Ihr Büro gerade?
OS: Unsere Baustellen am Wienerberg in der Biotope City, ein Büro und Geschäftshaus, drei Wohnobjekte und ein Kindergarten wurden kurzfristig gestoppt, aber zwischenzeitlich wird wieder gebaut. Unser Wohnturm „The Marks“ steht kurz vor der Vergabe – hier ist im Herbst 2020 der Baubeginn vorgesehen. Für ein Baufeld am Nordbahnhof stellen wir gerade die Einreichplanung fertig. Daneben nutzen wir die Zeit, um Wettbewerbe, Studien und kleinere Entwürfe auszuarbeiten.
Ihr Tipp für danach, wenn wir wieder Bewegungsfreiheit genießen dürfen: Den Besuch welchen Gebäudes können sie Architekturaffinen empfehlen, welches gebaute Objekt hat Sie persönlich zuletzt begeistert?
RL: Gehen sie bewusst und mit offenen Augen durch die Stadt, das kann man auch jetzt schon in Corona Zeiten machen. Ein empfehlenswerter Dauerbrenner: das Corbusier Haus in der Weissenhofsiedlung in Stuttgart, es besticht durch Raffinesse und Effizienz.
Wie wird ein Gebäude zu Architektur?
RL: Durch die Konsequenz des Konzeptes.
Warum ist es so schwierig, für gute Architektur zu sensibilisieren? Oder anders gefragt: Warum klaffen (theoretischer) Anspruch und (praktische) Umsetzung noch immer bei so vielem Gebauten so weit auseinander, obwohl unsere gebaute Umwelt eine conditio vitae ist, der sich niemand entziehen kann?
RL: Ein Gebäude bietet den Rahmen für soziale und wirtschaftliche Interaktion. Diese ist maßgeblich vom Nutzer abhängig, der immer eine subjektive Bewertung vornehmen wird. Architektur bietet Raum, schafft die Bühne – bespielt und bewertet wird sie von Menschen.
Welche Tugenden sollte ein Architekt, eine Architektin erfüllen, welche Rolle spielen sie in der heutigen Gesellschaft?
RL: Uns zeichnet vor allem eine fast kindliche Neugier aus. Man spielt immer die Rolle, die man sich selbst gibt.
Sollen sich Architekt:innen politisch engagieren, und wenn ja, in welcher Form soll das erfolgen?
RL: Architektur ist grundsätzlich politisch, da gebauter Raum unsere Umwelt definiert, sie strukturiert und auch zur Bühne für uns alle wird.
Wie schätzen Sie Dynamik und Qualität des heimischen Architekturschaffens ein - im Vergleich mit anderen europäischen Ländern?
RL: Das österreichische Architekturschaffen ist auch im internationalen Vergleich von hoher Qualität. Es sind weniger die spektakulären, oft wenig kontextuellen Ansätze, sondern die verantwortungsvolle Haltung gegenüber der Gesellschaft und der Umwelt, die sich mit hohem Einsatz manifestiert.
Zur regionalen Situation in Niederösterreich - was sind die dringendsten Fragen, auf die die Architektur in den nächsten Jahren wird Antworten liefern müssen?
RL: Der Bogen spannt sich vom vitalen Dorfraum über die Anbindung des ländlichen Raumes an die Städte bis hin zu leistbarem Wohnraum. „Die Architektur“ hat darauf genügend Antworten parat. Wir sehen dabei die Politik gefordert, die Rahmenbedingungen zu schaffen.
Selbst wenn alle Rahmenbedingungen für die praktische Umsetzung stimmten, gibt es eine Bauaufgabe, die Sie persönlich dezidiert ablehnen würden?
OS: Wir planen und bauen keine Gefängnisse, keine Anhaltelager und keine Schubzentren.
Was würden Sie im Zusammenhang mit Ihrem beruflichen Umfeld gerne ändern können?
OS: Im Großen und Ganzen lieben wir unseren Beruf und können mit den Rahmenbedingungen gut leben.
Ihrer Einschätzung nach, wie gut bereitet die derzeitige Ausbildung in Österreich zukünftige Planende auf das Berufsleben vor?
RL: Die derzeitige Ausbildung ist wenig praxisorientiert, sie ist aber ein gutes Training dafür, als eine Art „mind-expander“ erweitert Denken zu lernen. Das Ziel der Ausbildung sollte sein, Phantasie, Poesie und Pragmatismus gleichwertig miteinander zu verknüpfen. Um Einblick in die Wirklichkeit zu bekommen, wären zumindest zwei Pflichtpraktika sinnvoll.
Was wünschen Sie sich von uns als Baukulturvermittlungseinrichtung, welchen Rat wollen Sie ORTE auf den weiteren Weg mitgeben?
RL: Weiterhin mit intensivem Engagement zu handeln. Eventuell ein auch unterhaltsames Programm zu entwickeln, um in den Gemeinden die Lust zur Qualität zu stärken. Eine Art institutionalisiertes Program à la nonconform.
Rüdiger Lainer und Oliver Sterl - RLP Rüdiger Lainer + Partner, April 2020
Hier werden Mitglieder von ORTE zum Interview gebeten und vorgestellt.
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