Der Campus Krems im GEHspräch
Dialogischer RundgangSeit 30 Jahren besteht die Universität für Weiterbildung auf dem Areal der ehemaligen Tabakfabrik in Krems, vor 20 Jahren wurden die neuen Gebäude von Feichtinger Architects eröffnet. Diese Jubiläen nimmt ORTE zum Anlass, um Nachschau zu halten, wie sich der Campus Krems weiterentwickelt hat.
Das Projekt realisiert die Idee des Campus und des offenen Bildungszentrums in einem sehr hohen Maß. Es greift einerseits die vorhandene Struktur des Bestandsgebäudes auf und entwickelt diese weiter, andererseits wird durch die kammartige Struktur der Neubauten die landschaftliche Situation der nördlichen Terrassen „hereingeholt“. Durch die in Nord-Süd-Richtung offene Struktur ergeben sich vielfältige Ausblicke auf die landschaftliche Umgebung.
Zwischen dem Altbestand und den Neubauten wird in West-Ost-Richtung eine Hauptachse aufgespannt, von der aus die Erschließung der Gesamtanlage erfolgt. Durch die Platzierung des Festsaales im Westen unmittelbar am Haupteingang an der Dr.-Karl-Dorrek-Straße und des Studienzentrums für Film im Osten werden die beiden Endpunkte mit öffentlichen Nutzungen deutlich markiert. Diese West-Ost-Erschließung wird mit der nord-süd-gerichteten Achse von der Alauntalstraße über die Anibaspromenade bis hin zur Kunstmeile gekonnt verknüpft und platzartig ausgebildet.
Von den drei fingerartigen Baukörpern wird der östliche zurückgesetzt, sodass im räumlichen Zusammenhang mit dem Kesselhaus eine prägnante Platzsituation entsteht, die den Campus-Charakter unterstreicht. […] Zwischen der architektonischen Ausprägung des massigen Altbaus und der Leichtigkeit und Transparenz der Neubauten entsteht ein wünschenswerter und spannungsreicher Kontrast. Es ist zu erwarten, dass diese Architektur die geistigen Inhalte des Universitäts- und Fachhochschulbetriebes bestmöglich transformiert und visualisiert […]
Das Resümee der Jury (Vorsitz Friedrich Kurrent) des 2001 ausgelobten zweistufigen Gutachterverfahrens (neun abgegebene Projekte in der 2. Stufe) fasst präzise die Qualitäten des 2005 fertiggestellten Siegerprojekts von Dietmar Feichtinger zusammen.
Was das Wettbewerbsprojekt versprach, löste die Realisierung auf formidable Weise ein:
Die Kammstruktur der Neubauten nimmt die Gliederung der bestehenden Gebäude auf und ermöglicht deren Anschließung so, dass die Eigenständigkeit von Alt und Neu gewahrt bleibt.
Mit einem einfachen städtebaulichen Motiv gelingt hier „Hintaus“ – nicht nur auf dem Plan nachvollziehbar –, was „Voraus“, also an der Kunstmeile nicht wirklich aufgehen wollte: eine Verbindung zwischen Krems und Stein. Mit ähnlichem, im Nachhinein selbstverständlich erscheinendem, Geschick gelang es innerhalb des Ensembles Plätze zu schaffen, die mehr sind als möblierte Zwischenräume. Die Niveauunterschiede wurden geschickt mit sanften Übergängen zur Alauntalstraße hin austariert. Innerhalb entstanden intime Höfe unterschiedlicher Ausformung, die einerseits als Raumerweiterungen funktionieren, andererseits aber auch das Flanieren durch die Anlage zu einem besonderen Erlebnis machen, schreibt 2005 die Architekturpublizistin Franziska Leeb.
In der Zwischenzeit ist der Campus Richtung Osten deutlich gewachsen. 2012 wurde der Erweiterungsbau der IMC Fachhochschule Krems von Kada Wittfeld Architektur fertiggestellt, 2016 die Karl Landsteiner Privatuniversität von DMAA und eine Erweiterung des Campus durch Baumschlager Eberle Architekten erfolgte 2023.
Im dialogischen Rundgang über den Campus geht die ORTE Vorsitzende Franziska Leeb gemeinsam mit Architekt Dietmar Feichtinger, Rektor Friedrich Faulhammer, Vizerektorin Viktoria Weber und dem Kremser Baudirektor Reinhard Weitzer der Frage nach, wie sich der Campusgedanke entwickeln konnte. Im Geiste der Spaziergangswissenschaft* soll reflektiert werden, inwiefern die inhaltlichen und städtebaulichen Prämissen von damals noch gültig sind und wie sich der Universitätsbetrieb und mit ihm die Architektur verändert hat.
*Ganz in der Tradition n der Spaziergangswissenschaft, die der Schweizer Soziologe Lucius Burckhardt begründet hat, veranstaltet ORTE interaktive GEHspräche, um Orts- oder Stadtentwicklungen anhand von Gebautem und Ungebautem zu entschlüsseln. Beim gemeinsamen Gehen, Betrachten und miteinander Sprechen werden Maßstäblichkeiten wahrgenommen, rücken Bauten, Areale, Straßen wie Landschaften in die Wahrnehmung und bewirken ein Sensibler-Werden für den eigenen Lebensraum.
Die Teilnahme an der Veranstaltung ist kostenfrei, die Anreise erfolgt in Eigenregie.
Eine Anmeldung ist erforderlich unter office@orte-noe.at
Es wird darauf hingewiesen, dass bei der Veranstaltung Fotos gemacht und zum Zweck der Öffentlichkeitsarbeit sowie der Dokumentation verwendet werden.