Einst und Jetzt: Die Badekolonie Kritzendorf
Ein Architekturkleinod an der Donau
Vortrag, Rundgang mit Bauvisiten, DiskussionDas 1903 vom Verschönerungsverein „Die Linde“ errichtete Freiluftstrombad war derart attraktiv geworden, dass man 1927 einen Architektenwettbewerb zur Neugestaltung ausschrieb. Heinz Rollig entschied ihn für sich und wurde beim Um- und Ausbau des Geländes von Julius Wohlmuth unterstützt. Es entstanden ein Rondeauplatz, Kabanen – also kleinste Wohnkabinen, eine Brücke mit Sonnenterasse zur Strandwiese, ein Wetterhäuschen, ein derzeit zum Abbruch freigegebener Strandpavillon und drei von Rollig geplante Stelzenhäuser.
Schnell wuchs die Kolonie durch viele Badehütten und kleine Villen zu einem Sommereldorado am Strom. „In der Sehnsucht nach der Adria gab man sich mondän und nannte sich französisch. Krize-les-bains erschien als adäquate Antwort für die durch die Inflation geschüttelten ‚Goldenen zwanziger Jahre‘“, wie Lisa Fischer (Autorin „Die Riviera an der Donau“) feststellt.
Auch heute noch stellt die Badekolonie in Kritzendorf etwas Besonders dar, auch wenn es kaum mehr Geschäfte im Rondeau gibt und da und dort Baukörper ins Auge stechen, die so gar nicht ins Bild der kleinmaßstäblichen, hauptsächlich aus Holz gebauten Wochenendhäuser passen.
Beim Flanieren durch ein architektonisches Freiluftmuseum wollen wir Einblicke in die heutige Sommerfrische vor Ort geben und Fragen zur Leistbarkeit und zum Schutz des Bestandes erläutern, aber auch darüber diskutieren, wie Bestehendes angemessen weiterentwickelt werden kann. In zwei Badehäuser und eine Kabane dürfen wir einen Blick werfen, um ein Gefühl dafür zu erhalten, wie sehr das sommerliche Leben hier durch ein spannendes Wechselspiel zwischen Architektur und Natur geprägt ist.
Programm:
Moderation: Heidrun Schlögl, Geschäftsführung ORTE
Vortrag über die Gründung und historische Entwicklung des Strombad Kritzendorf durch
Dr. Lisa Fischer, Historikerin
Blick in eine Kabane bei der „Brücke“
Besuch im „Thomashaus“
Besuch im Haus TNAustausch zum Ruf nach Denkmalschutz für die Badekolonie mit Michael Schiebinger, Abteilung für Denkmalforschung im Bundesdenkmalamt
Besuch im „Thomashaus“
„Das „Thomashaus“ (benannt nach dem Vorbesitzer) wurde nach dem Hochwasser 2013 vom Architekten Walter Kräutler behutsam und in Handarbeit transformiert. Wie viele der Kritzendorfer Badehütten bestand es aus einem Wohnraum im unteren Geschoß (Erdgeschoss wäre hier eindeutig der falsche Begriff, denn von ebendieser Erde ist es abgehoben) und einem Schlafbereich im oberen aufgestockten Bereich unter einem Mansarddach. Wie die meisten Häuschen in der Siedlung stand es in einem engen Verbund mit den benachbarten Hütten. Lediglich ein minimaler Zwischenraum von etwa 60 cm trennt die Gebäude in der „Hüttenzeile“ voneinander und dieses delikate Nebeneinander, aber nicht Beieinander, trägt deutlich zur atmosphärischen Leichtigkeit und Luftigkeit bei, obwohl gleichzeitig eine beinahe serielle Anordnung vorherrscht. Gerade in dieser Dichte und Kleinheit kommt die schier unglaubliche Komplexität der Details, der Materialien, der Farben umso stärker zum Ausdruck. […] Obwohl das Thomashaus vom 2013er Hochwasser derart in Mitleidenschaft gezogen war, dass ein Abriss und Neubau naheliegend gewesen wäre, entschied sich Walter Kräutler für ein behutsames Instandsetzen der Struktur. Mit Betonung auf (tragender) Struktur, denn das untere Geschoß des Häuschens wurde als Holz-Fachwerk Konstruktion (re)konstruiert, die Fassade aber mit eigens entwickelten Verglasungen völlig neu gedacht. Während das obere Geschoß weitgehend in den ursprünglichen Zustand versetzt wurde, fand im unteren Geschoß eine radikale Transformation der Idee der Hülle, der Fassade statt.
[…] DasThomashaus bildet im Verbund mit zwei anderen Häuschen ein Ensemble, das auf eine lose Verteilung unterschiedlichster Funktionen und Programme abzielt. Während in einem Haus eher gewohnt wird, wird im anderen eher gekocht und im anderen eher gearbeitet. Dennoch entziehen sich die Räume bewusst einer eindeutigen Funktion. Sie werden je nach Situation, Jahreszeit, Temperatur, nach Anzahl der Anwesenden jeweils neu aktiviert. Aber auch Details wie die speziell entwickelten, mit feinen Holzrahmen versehenen, abnehmbaren Fensterelemente erlauben ein leichtfüßiges Reagieren auf die Umstände, wie das potentielle Auftreten von Hochwasser.“ (Text: Christian Teckert) Mehr
Besuch im Haus TN in Kritzendorf
Das Haus TN ist ein typisches Beispiel für den spezifischen Stil- und Typologiemix der Strombadsiedlung Kritzendorf: Ein in der Zwischenkriegszeit begonnener Hybrid aus Badehütte, Schrebergartenhaus und Stelzenhaus, mehrfach transformiert und überformt im Laufe der Jahrzehnte, speziell 1953 und in einer Erweiterung 1966.
Der Logik dieser Bricolage folgend wurde das zweigeschoßige Häuschen mit ca. 55 m² Nutzfläche 2020 saniert und mit zum Teil großformatigen Öffnungen in Form von Fixverglasungen versehen. Dadurch wurden einerseits die konstruktiven Elemente des Hauses offengelegt und anderseits eine Vielzahl neuer Blickbeziehungen generiert. Dies ist auch als eine Intensivierung der sozialräumlichen Bezugssysteme zu verstehen, die auf der Fluidität und Komplexität der Übergänge zwischen Innen und Außen sowie der Schichtung und Differenzierung von je nach Situation aktivierbaren Aufenthaltsorten und Mikro-Räumen beruhen. (Text: Christian Teckert)
Die Teilnahme an der Veranstaltung ist kostenfrei. Beschränkte Teilnehmerzahl. Anmeldung erforderlich unter office@orte-noe.at
Während der Veranstaltung werden Fotos und Videos gemacht. Bitte beachten Sie, dass Sie sich mit der Teilnahme an der Veranstaltung bereit erklären, dass diese Aufnahmen nach der Veranstaltung in veränderter oder unveränderter Form vervielfältigt, veröffentlicht und verbreitet werden.