ORTE vor Ort #18
Gartenstadt "Rainer-Siedlung", St. Pölten
AusschreibungBauvisite in der soeben fertiggestellten Siedlung.
Es führt Architektin Johanna Rainer .
Planung: Roland Rainer, Johanna Rainer
Ausführung: Harald Wallner
Fertigstellung: Sommer 2005
Bauträger: St.Pöltner, Alpenland, WET
Info: RAINERSIEDLUNG
ANFAHRT:
Öffentliche Verkehrsmittel:
15:30 Abfahrt: ÖBB EuroCity, Westbahnhof
16:10 Ankunft: St.Pölten Hauptbahnhof
oder
15:34 Abfahrt: ÖBB InterCity, Westbahnhof
16:18 Ankunft: St.Pölten Hauptbahnhof
Anschluss CityBus: Linie 6 Richtung Landhaus
Zu Fuß von Klangturm über die Fußgängerbrücke.
Per Auto:
von Wien - vor St.Pölten Richtung Krems - Abfahrt St.Pölten Ost - Richtung Zentrum - nach Kreisverkehr 1. Rechts - Links in Werner von Siemensstr. - dann Rechts befindet man sich am Südende der Rainersiedlung
Treffpunkt:
St. Pölten, Defreggerstrasse Ecke Prof. Roland Rainer-Weg
Nähe Regierungsviertel
S t . P ö l t e n B e b a u u n g d e r ehem. H y p o – G r ü n d e
Der zur Verfügung stehende Bauplatz bildet einen Geländestreifen von ca. 450 m Länge und ca. 60 m Breite, der die Traisen auf der Ostseite begleitet parallel zum neuen Regierungsviertel und etwa in der selben Länge. Er bildet das Gegenüber des Regierungsviertels auf der anderen Seite des Traisentals, vom Regierungsviertel unbehindert in der ganzen Länge zu sehen und umgekehrt. Die Bebauung wurde also zwischen Defreggerstraße und dem die Traisen begleitenden Hochwasserschutzdamm auf der Höhe dieses Dammes geführt, so dass zwischen dem Erdgeschoss und der tiefer gelegenen Ebene des Flusstals genügend Platz für die Unterbringung von technischen Räumen, Garagen, Zugängen usw. bleibt. Die Bebauung passt sich dem Gelände bzw. dem Traisental an - an der Promenade zweigeschossig, dahinter dreigeschossig und an der Defreggerstraße zum Schutz gegen Lärm viergeschossig.
Die Bebauung soll sich in einer plastisch lebhaft gegliederten Front zum Regierungsviertel hinwenden und von dort als lebendig kleingegliederte wohnlich wirkende und begrünte Begrenzung des Traisentales in Erscheinung treten. Das würde weder mit einer geometrisch parallelen Führung der Bebauung, noch mit einer Querstellung der Bebauung zum Fluss zu erreichen sein, sondern nur durch eine Schrägstellung, derart, dass lange auf das Regierungsviertel hinweisende Baublöcke entstehen, mit einerseits nach Südwesten, andererseits nach Südosten gewendeten Fronten, mit optimaler Besonnung beider Fronten zu allen Tageszeiten und Blick auf das Regierungsviertel einerseits, die Landschaft andererseits.
Im Falle der hier geplanten Siedlung in St. Pölten wird daher bewusst unterschieden zwischen der Monumentalität des Regierungsviertels einerseits und einer kleingliedrigen, abwechslungsreichen Wohnbebauung andererseits, die sich in der gesamten Orientierung vom Regierungsviertel unterscheidet.
Die Bebauung ist durchwegs durch Wohnwege erschlossen und sollte durch zwei Fußgängerbrücken mit dem Regierungsviertel verbunden sein, wobei die noch nicht ausgeführte nördliche Brücke zum Schutz gegen Wind und Wetter seitlich geschlossen und gedeckt sein sollte. Um bestmöglichen Schutz gegen Lärm und Verkehr zu erreichen, sind die unterirdischen Garagen mit offenen Stellplätzen einerseits vom nördlichen Ende, andererseits vom südlichen Ende anfahrbar, so dass über die gesamte Länge des Baugebietes kein Verkehr entsteht. Im Inneren sind alle Wohnungen mit Fußwegen erschlossen, die Gärten der Einfamilienhäuser und der dreigeschossigen Bebauung soweit mit Mauern umgeben, dass der hier sehr lästige Wind abgehalten und ein Einblick in die Gärten verhindert wird.
Die Erschließung erfolgt für das gesamte Gelände von der Defreggerstraße durch Fußwege bzw. durch im Untergeschoss liegende Zufahrten, die auf breiter Front zur Defreggerstraße geöffnet sind. Die Treppenhäuser werden in dieses Untergeschoss hinuntergeführt, sodass optimalste Verbindungen entstehen.
Ein wesentlicher Vorteil der vorgeschlagenen Bebauung besteht darin, dass jede der neuen Wohnungen durch einen geschützten, uneingesehenen Raum unter freiem Himmel, einem bepflanzten Gartenhof, sowie durch Gärten oder Dachterrassen erweitert wird, die eine unmittelbare, uneingesehene Ergänzung der Wohn- und Schlafräume bilden – sowohl im Erdgeschoss als auch in den Obergeschossen.
Die Gartenterrassen und Gartenhöfe sind durch begrünte Wände umschlossen, sodass sie auch bei geringer Ausdehnung und bescheidenem Geländeverbrauch sowie kurzen Erschließungswegen ein höchstes Maß an Privatheit einerseits und Naturverbundenheit andererseits bieten und durch kurze schmale Fußwege erschlossen werden, die im Untergeschoss zu Garagen und Abstellplätzen führen.
Mit räumlich lebendig gegliederten Fronten und mit abwechslungsreicher Silhouette aus weißen Baukörpern in der grünen und farbigen Umgebung der Terrassen und Gärten bildet diese Wohnbebauung einen deutlichen Kontrast zur Strenge und Monumentalität der großen Regierungsbauten - ein bewusster Kontrast, indem die auch für die gesamte Gesellschaft charakteristische Spannung zwischen Privatheit und Öffentlichkeit zum Ausdruck kommt.
W o h n e x p e r i m e n t G a r t e n s t a d t
Vielleicht kann dieses Bauvorhaben den Weg zeigen, wie Wohnungen nicht als mehr oder weniger anonyme Blöcke über schematischen Rastern entstehen müssen, die mit gleichartigen, genormten "Normalwohnungen" angefüllt sind – sondern dass Wohnungen eine sehr abwechslungsreiche, aufgelockerte, von Luft und Sonne durchsetzte und durchgrünte Bebauung sein können, die überall durch einladende Terrassen und Gärten ergänzt ist.
Denn sicherlich wäre es richtiger, jenen Wiener Familien, die infolge der derzeitigen Wiener "Wohnhochhaus-Politik" keine für Kinder geeignete Wohnumgebung vorfinden, und daher abwandern, in Niederösterreich mehr zu bieten als nur die derzeitige sehr problematische Streusiedlung aus freistehenden Einzelhäuschen. Planmäßig vorbereitete Gartenstädte mit Zentren für Infrastruktur und geschlossener wirtschaftlicher und gleichzeitig raumbildender Wohnbebauung zu bieten – und so der Tendenz zur Auflösung der Bebauung mit ihrer unwirtschaftlichen Geländeverschwendung entgegenzuwirken und geschlossene urbane Siedlungsgebiete zu entwickeln, die eigentlich nichts anderes darstellen als eine zeitgemäße Fortsetzung der alten Siedlungen und Kleinstädte vorindustrieller Zeit - das stellt hier die wirkliche Herausforderung dar.
Prof. Dr.Dr.hc Roland Rainer