ORTE vor Ort #5
Eine Architekturführung durch das Caritas Tagesheim in Obergrafendorf. Arch. Georg W.Reinberg
BesichtigungsreiheCartias Tagesheim Obergrafendorf
„Andersartigkeit als positiver Wert“ und „Menschlichkeit hat Zukunft“ – diese Leitgedanken der Caritas-Tagesbetreuung trachtete Georg W. Reinberg auch in sein Architekturkonzept zu übernehmen. „Andersartig“ ist also auch das Gebäude im Vergleich zu den benachbarten Fertigteilhäusern und Gewerbebauten sowohl in formaler als auch materieller Hinsicht. Menschengerecht, zukunftstauglich und ökologisch – Eigenschaften die Reinberg, einem der Pioniere des umweltfreundlichen Bauens, seit langem wesentlich sind, gewinnen bei dieser besonderen Bauaufgabe für besondere Menschen zusätzliche Bedeutung.
Die städtebauliche Situation zwischen Siedlungs- und Gewerbegebiet und gegenüber einer attraktiven landwirtschaftlich genutzten Grünzone spiegelt sich in der Gebäudekonzeption wider: In Richtung Wohngebiet liegt der Trakt der Schwerstbehindertenbetreuung, zum Gewerbegebiet hin erstrecken sich die Werkstätten. Dazwischen liegen die öffentlicheren Zonen wie Foyer und Speisesaal. All diese Bereiche sind selbstverständlich ebenerdig angeordnet und barrierefrei zugänglich. Im Speisesaal sorgen die doppelte Raumhöhe und das breite Oberlichtband für Großzügigkeit und lichtdurchflutete Luftigkeit. Aus- und Durchblicke spielen eine große Rolle und durch die Lichtumlenkung mittels Verspiegelung über den Zentralräumen wird die Tageslichtnutzung noch optimiert. Neben der raumatmosphärischen Wirkung bewirkt dies auch eine Energieeinsparung bei Kunstlicht.
Viel Glasbedeutet nicht zwangsläufig Kühle: Die Brettsperrholzplatten der Konstruktion blieben an den Decken sichtbar, die Wände sind innen mit Lehmputz versehen. Diese Materialien wurden auch deshalb gewählt, weil sie ein baubiologisch sehr gutes Raumklima bewirken und zum Teil auch von den Klienten selbst leicht bearbeitet werden können.
Das Energiekonzept basiert auf einer sehr guten Wärmebewahrung durch stark gedämmte Außenbauteile, eine hochwertige Verglasung, hohe Luftdichtigkeit sowie automatischen Luftwechsel durch ein Lüftungs–wärme–rück–ge–winnungsgerät.
Die passiven Solarerträge aus den Oberlichten und den Südfenstern werden in der nördlichen Massivwand des Speisesaales und den Lehmoberflächen gespeichert. Zusätzliche Sonnenenergie wird über die Kollektorwand in der Südfassade, die sich zugleich als schwarz-violettes Schild dem vorbeifließenden Autoverkehr entgegenstellt, sowie den Schrägkollektoren über den Oberlichten der Werkstätten gewonnen. Im Jahresschnitt deckt die so gewonnene Wärme ca. 60% des Warmwasserbedarfs. Aufgrund der höheren Effektivität wird im Winter vorrangig die Heizung aus dieser Solaranlage versorgt. Außenjalousien und nächtliche Durchlüftung über Zu- und Abluftklappen verhindern sommerliche Überhitzung.
Der einfache Baukörper und eine möglichst weitgehende Verwendung von Standardelementen – z.B. bei Fenstern und Türen – brachten ein Einsparungspotenzial, das die Finanzierung von Extras wie der guten Dämmung, der Solar- und der Lüftungsanlage möglich machte.
Konstruktion:
Außenwände: KLH-Brettsperrholz-Platten, 16 cm Steinwolle–dämmung und Streuschalung, innen Lehmputz
Dach: KLH-Brettsperrholz-Platten, 26 cm Dämmplatten, Abdichtung und extensiver Begrünung
Keller: Wände und Decken aus Stahlbeton, mit Dämmung und Feuchtig–keitsisolierung
Projektdaten
Bauherr: Caritas der Diözese St. Pölten
Architekt: Georg W. Reinberg, 1070 Wien
http://www.reinberg.net
Mitarbeiter: Mag.arch. Sabine Bartscherer
DI Martin Presich
DI Sonja Rotter
Statik: DI Helmut Lutz, Wien
DI Johann Riebenbauer, Graz
Haustechnik: Ing. Kranabetter, Gmünd
Lichtplanung: Jakob Uhl, Wien
Feiraumplanung:Anna Detzlhofer, Wien
Wettbewerb: 2002
Baubeginn: Dezember 2002
Bauübergabe: September 2003
Grundstücksgröße: 1563 m”
Überbaute Fläche: 797 m”
Nettonutzfläche: 756 m” EG/OG, 350 m” Keller
Umbauter Raum: 3.600 m“ EG/OG, 1.002 m“ Keller
Baukosten: 1.038.000 EUR inkl. Außenanlagen, Einrichtung
(Kosten/m” Nutzfläche: 938 EUR)
Anreise
St. Pölten-Süd auf B 20 (Mariazeller Straße), in Spratzern rechts abbiegen auf B39 Richtung Obergrafendorf
per Bahn:
hin: Wien-Westbahnhof 13:34 - St. Pölten Hbf 14:19 (IC 644)
St. Pölten Hbf 14:24 – Obergrafendorf Bhf. 14:44 (R 6817)
Retour: Obergrafendorf 17:15 – St.Pölten Hbf 17:36 (R 6838)
St.Pölten Hbf 17:43 – Wien Westbahnhof 18:30 ( IC 941)
Weitere Informationen:
ORTE architekturnetzwerk niederösterreich
Steiner Landstraße 3, 3504 Krems-Stein
Tel. (02732) 78374, office@orte-noe.at, www.orte-noe.at