Spuren im Licht
Ein Sonntagsausflug zu Orten des Wandels – Architektur von Johannes Kraus zwischen Geschichte und Gegenwart
Drei BauvisitenDrei Planungen von Architekt Johannes Kraus zeigen, wie alte Substanz lebendig gemacht werden kann, ohne ihre Geschichte zu verlieren. In Gars am Kamp und Wolfshof hat er Orte geschaffen, an denen Vergangenheit und Gegenwart aufeinandertreffen und Architektur als Brücke zwischen den Epochen und Landschaften sichtbar wird.
Johannes Kraus führt durch die Gebäude:
10 – 11.30 Uhr Ehemaliges Hubertusbräu in der Julius Kiennaststraße 178 in Gars am Kamp
11.45 – 12.45 Uhr Villa Gretl in der Weisergasse 179 in Gars am Kamp
Mittagspause
14.30 – 16 Uhr Atelierhaus in Wolfshof
10 – 11.30 Uhr
Vom Bierdepot zu moderner Lebenswelt - eine architektonische Transformation
Das ehemalige Hubertusbräu-Depot in Gars am Kamp ist ein Ort im Wandel. 1913 erbaut und 1991 stillgelegt, schlief es jahrzehntelang. Seit 2022 entfaltet es sich wieder – als Ort für Wohnen, Arbeiten und kreatives Schaffen, der den Dialog mit der Vergangenheit sucht.
Die Gebäude selbst erzählen weiter: Der Straßentrakt, der Kutschertrakt, der Stadel, der Eisturm – sie stehen nicht isoliert, sondern in Beziehung zueinander, gruppiert um einen Innenhof. Drei dieser Bauten wurden grundlegend saniert, behutsam erneuert, aber nicht verfälscht. Neue Dachdeckungen, teilweise mit Photovoltaik, verbinden Tradition mit Technik der Gegenwart.
Besonders eindrucksvoll ist die Sanierung des Kutschertrakts. Die ursprüngliche Außenhülle blieb erhalten, doch innen wurde das Haus von Grund auf erneuert: neue Tramdecken, thermische Sanierung, Integration des Dachgeschosses. Dabei entstanden spannende Raumbezüge – zweigeschossige Volumen stehen in Kontrast zu niedrigen Nischen, ein Erker betont die Eigenwilligkeit des Bestands. Eine große Verglasung zur Flussseite und eine Loggia im Dachgeschoss schaffen Verbindung zwischen Innen und Außen.
Das Ensemble lebt von seiner Lage: direkt am Kamp, mit Blick auf die Burg, in unmittelbarer Nähe zum Bahnhof. Was einst strategische Vorteile für den Braubetrieb bot – etwa die Nähe zum Wasser, zur Bahn, zur Ortsmitte – wird heute als Lebensqualität neu entdeckt. Die kühlende Wirkung des Flusses im Sommer, die gute Anbindung an öffentliche Verkehrsmittel, kurze Wege zur Nahversorgung – all das macht den Standort auch für heutige Bewohner:innen und Nutzer:innen attraktiv. Ein Badesteg, der dezent in die Landschaft eingefügt wird, erweitert den Ort um eine sommerliche Qualität, ohne seine Zurückhaltung zu verlieren.
Trotz fehlendem Denkmalschutz wurde mit denkmalpflegerischer Sorgfalt gearbeitet: alte Putztechniken, Erhalt der historischen Fenster, traditionelle Ölfarben, Liebe zum Detail.
Kein museales Erinnern, sondern ein lebendiger Ort mit Haltung und Zukunft ist das Credo der Bauherrenfamilie Bründlmayer.
11.45 – 12.45 Uhr
Villa Gretl – ein Haus zwischen Ornament und Rückzug
Still liegt sie am Südhang von Gars am Kamp: Die Villa Gretl, 1924 von Josef Hoffmann für die Familie Hanebeck erbaut, ist ein Solitär zwischen Weltläufigkeit und Innerlichkeit. Ihre Formen erzählen von der Moderne, ihr Geist bleibt dem Rückzug verpflichtet. Mit ihr beginnt ein neues Kapitel im aufkommenden Villenviertel des Ortes – ein Kapitel, das sich gleich zu Beginn über Konventionen hinwegsetzt.
Was auf den ersten Blick auffällt, ist die Spannung zwischen geometrischer Strenge und verspieltem Ornament. Das pagodenartige Dach ruht auf einem klar gegliederten Baukörper. Dreiecksfenster, konvexe Treppenläufe und konkave Wandflächen brechen die Symmetrie, ohne sie aufzulösen. Überall finden sich Spuren der Wiener Werkstätte – Rauten, Linien, kunstvoll durchbrochene Zäune und Mauern. Die Ornamentik bleibt nie bloße Dekoration, sie ist Teil der räumlichen Choreografie.
Innen setzt sich diese Vielschichtigkeit fort. Das Erdgeschoss – mit Kassettenparkett, holzvertäfelten Wänden und einer offenen Stiege – folgt dem Duktus des Repräsentativen. Es ist Bühne und Schutzraum zugleich. Dahinter: die privaten Rückzugsräume, weniger opulent, beinahe still. Das Souterrain erzählt vom einstigen Dienstbotenalltag, das Dachgeschoss von Bescheidenheit und Leichtigkeit. Und immer wieder – der Blick zur Burg, komponiert wie ein Zitat aus einem anderen Jahrhundert.
Josef Hoffmann, einer der ganz Großen der österreichischen Architekturgeschichte, hat hier wohl eines seiner letzten Wohnhäuser realisiert. Ein Haus, das nicht laut ist, aber lange nachhallt. Vielleicht gerade deshalb blieb es über Generationen in Familienhand – bis 2024, als es erstmals die Besitzer:innen wechselte. Die neuen Eigentümer:innen wollen mit Feingefühl sanieren, das Haus weder ins Heute zwingen noch im Gestern einschließen.
So bleibt es, was es immer war: ein seltenes Stück Architektur, das sich dem schnellen Blick entzieht – aber den aufmerksamen umso reicher belohnt.
14.30 – 16 Uhr
Alter Bestand zeitgenössisch erweitert – fertig ist das Atelierhaus
Im Natura 2000-Gebiet nahe Gars am Kamp, in Wolfshof, steht ein Gebäude aus dem 18. Jahrhundert, das zwischen 2022 und 2024 in ein Architektur-Atelierhaus verwandelt wurde. Der Umbau ist mehr als eine Sanierung – er ist eine Neuinterpretation, die den Charme der Vergangenheit bewahrt und Raum für die Zukunft schafft.
Das Bestandsgebäude wurde weitestgehend erhalten: Die Außenwände aus Mischmauerwerk und Lehmmörtel, die Kastenfenster, die Eingangstür und das Satteldach – sie alle wurden mit großem Respekt saniert. Doch der wahre Wandel fand im Inneren statt: Die Innenwände wurden entfernt, um Platz für ein offenes Atelier zu schaffen – ein flexibler Raum für Arbeit und Inspiration, der Vergangenheit aufnimmt, aber nicht in ihr verharrt.
Das Dach wurde zur thermischen Hülle, die dem Raum eine neue Dimension verleiht. Der offene Erdgeschossraum wird von Tageslicht durchflutet und schafft eine Verbindung zur Natur. Der Boden, mit Trittschalldämmung und Parkett ausgestattet, vermittelt Wärme und Behaglichkeit. Die Außenwände, temperiert durch eine Wandheizung, schützen vor Feuchtigkeit und tragen zu einem angenehmen Raumklima bei.
Zusätzlich wurde im Nordwesten eine Erweiterung in Massivbauweise eingefügt. Diese fügt sich harmonisch in das bestehende Gebäude ein und bietet praktische Bereiche wie Sanitärräume und eine Galerie. Die Fassade des Erweiterungsbaus aus vertikal verlegtem Lärchenholz erinnert an die regionaltypischen Nebengebäude und integriert sich unauffällig in die Umgebung.
Ein ehrwürdiges Gebäude als Manifest für zeitgenössische Gestaltung.
Für Anreisende aus Wien bzw. mit öffentlichen Verkehrsmitteln empfehlen wir:
8 h ab Wien Franz-Josefs-Bahnhof
8.59 h an Bahnhof Hadersdorf am Kamp
9.03 h ab Bahnhof Hadersdorf am Kamp
9.37 h an Bahnhof Gars-Thunau
3 Minuten Fußweg über den Kamp-Fußgehersteg zum ehemaligen Hubertusbräu in der Julius Kiennaststraße 178 in Gars am Kamp
7 Minuten Fußweg vom ehemaligen Hubertusbräu zur Villa Gretl in der Weisergasse 179 in Gars am Kamp
7 Minuten Fußweg von der Villa Gretl zum Hauptplatz in Gars am Kamp
13.58 h mit Bus 895 ab Hauptplatz in Gars am Kamp Richtung St. Leonhard am Hornerwald
14.14 h an Wolfshof
Alternativ: Fußweg ca. 60 Minuten (bergauf) von Gars am Kamp nach Wolfshof
4 Minuten Fußweg zum Atelierhaus
16.45 h mit Bus 895 ab Wolfshof Richtung Gars am Kamp
Alternativ: Fußweg ca. 60 Minuten (bergab) von Wolfshof zum Bahnhof Gars-Thunau
17.36 h an Hauptplatz in Gars am Kamp
12 Minuten Fußweg vom Hauptplatz zum Bahnhof Gars-Thunau
Alternativ etwa 60 Minuten Fußweg (bergab) von Wolfshof zum Bahnhof Gars-Thunau
18.21 h ab Bahnhof Gars-Thunau
18.57 h an Bahnhof Hadersdorf am Kamp
19.01 h ab Bahnhof Hadersdorf am Kamp
20 h an Wien Franz-Josefs-Bahnhof
Die Teilnahme an der Veranstaltung ist kostenfrei, die Anreise erfolgt in Eigenregie.
Anmeldung erforderlich unter office@orte-noe.at.
Beschränkte Teilnehmer:innenzahl.
Es wird darauf hingewiesen, dass bei der Veranstaltung Fotos zum Zweck der Öffentlichkeitsarbeit sowie der Dokumentation gemacht werden.