Nachschau: GEWOHNT LEBEN AUCH IM ALTER: Wie alternative Wohnmodelle generationenübergreifend Lebensqualität schaffen und zugleich Leerstand bekämpfen können.
Das gesamte Programm zum Nachschauen in einzelnen Vorträgen. Bitte runterscrollen.
Das 3. Gesundheitsbauten-Symposium von ORTE stellte diesmal das Wohnumfeld der Älteren in den Fokus und zeigte mit architektonisch wie strukturell gelungenen alternativen Wohnmodellen von Wien über Vorarlberg bis in die Schweiz zugleich eine raumplanerische Lösungsstrategie für die Leerstands-Problematik in Ortszentren auf.
In rund dreißig Jahren werden ca. ein Drittel der Menschen hierzulande über 65 Jahre alt sein. Das stellt die Gesellschaft insgesamt und die Gemeinden im Besonderen vor große Herausforderungen. Sowohl baukultureller als auch gesellschaftspolitischer und philosophischer Natur. Auch wenn die Frage des Alters (Wer und ab wann gehört denn nun tatsächlich zu den Alten? Und wer will schon nur mit Alten zusammen sein?) bei allen persönlichen Befindlichkeiten nicht einfach zu beantworten ist. Einigkeit herrscht darüber, dass ein gutes Leben im Alter am besten in der gewohnten Umgebung gelingt. Wobei das gar nicht die eigenen Wohnräume sein müssen, im Dorf oder Grätzl also, in erprobter sozialer Struktur. Doch wenn es im Ort kein Gasthaus, keinen Bäcker, keinen Hauptplatz als Treffpunkt, also keine soziale Infrastruktur mehr gibt, wo sind dann die Wohlfühlorte miteinander, die wir fürs Altern daheim brauchen?
Gefragt ist eine Transformation beim Stellenwert des Alten in der Gesellschaft. Das trifft auf die Menschen zu, die durch selbstbestimmtes Wohnen mehr Teilhabe erlangen können. Das trifft aber auch auf leerstehende Ortszentren zu und vernachlässigtem Bestand, die mit neuem Leben erfüllt einen wertvollen Beitrag für die ganze Gesellschaft leisten können. Wie das gelingen kann, zeigte das Symposion auf, das einigen geglückten wie beglückenden Projekten ein Forum bot, die wir hier kurz anreißen. Über die Nachschau des 3. Gesundheitsbauten-Symposiums können diese Anregungen jederzeit vertieft werden.
Anna Winklehner von der CARITAS Wien wies als erste Vortragende den Weg: Wir müssen uns von einer Versorgungs- zu einer Partizipationsgesellschaft entwickeln. Was heißt, dass sich das Wohnen verändern wird, wenn wir unsere Bedürfnisse ernstnehmen. Als Pilotprojekt hierfür präsentierte sie das Clusterwohnkonzept der moderierten Baugruppe WG Melange für Menschen ab 55 ohne Pflegebedarf in der Seestadt Aspern und plädierte dafür, dass solch gemeinschaftliches Wohnen auch für Mindestpensionsbezieher:innen leistbar werden muss.
Alexandra Partsch überzeugte mit dem Vorarlberger Mitdafinerhus, das hoch über dem Rheintal gelegen einiges an Vorbildcharakter bereithält. Das alte Bauernhaus, das zwischenzeitlich als Ferienheim genutzt worden und lange Zeit leer gestanden war, konnte 2004 von sechs Dafiner:innen erworben werden, die es unter der Planung von Marte.Marte Architekten zu einem Haus für betreutes Wohnen erweiterten und den heutigen Bewohner:innen höchste Lebensqualität bietet. 11 helle Wohnungen à 42 qm sind unter einem Dach vereint, das durch seine zeitgenössische Adaptierung zu zwanglosen und natürlichen Kontakten unter den Bewohner:innen einlädt. Guten Kontakt gibt’s auch zum unmittelbaren Umfeld, das in der Wechselwirkung ebenfalls eine Belebung erfuhr. Die leerstehende ehemaligen Sennerei vis-à-vis wurde zum Dorfladen mit Café und mit der Bushaltestelle vor dem Haus ist das Erreichen des nahen Feldkirch und somit die Verbindung zwischen dörflicher Idylle und städtischem Leben ganz einfach.
Viel größer dimensioniert ist ein derzeit in Wien Oberlaa entstehendes Baugruppenprojekt für Menschen ab 60: Nach Entwürfen des Architekten Clemens Dill werden hier Wohnplätze für 79 Personen geschaffen. Soziokratisch, selbstverwaltet und solidarisch finanziert sind die Parameter, die das Projekt WOAL – Wohnen ohne Alterslimit - charakterisieren.
Markus Pendlmayr, Planer und Geschäftsführer von einszueins architektur, die sich bereits einen herausragenden Ruf mit österreichischen Baugruppenprojekten erarbeitet hat, berichtete von deren Studie zur Transformation einerehemaligen Arbeitersiedlung aus den 1940er Jahren in Ternitz (südliches Niederösterreich). Auch hier birgt der Altbestand großes Potential. Viel wertvoller Raum – auch für die ältere Bevölkerung – könnte durch eine umfassende Sanierung der größtenteils leerstehenden Reihenhäuser bzw. Geschoßwohnbauten gewonnen und Leerstandskosten von aktuell rund EUR 70.000 pro Jahr eingespart werden.
Architekt Werner Nussmüllers Vortrag galt dem meisterlich gelungenen und mehrfach ausgezeichneten Ortszentrum Stanz im steirischen Mürztal. Hier hatte ein engagierter Bürgermeister eine Studie zur Ortskernbelebung beauftragt, die als Basis für eine Bauträger-Ausschreibung diente. So ist im Ortszentrum u.a. ein Holzbau mit jeweils acht betreubaren Wohneinheiten und Starterwohnungen mit 40 bis 55 qm Wohnfläche entstanden. Mit dem im gemeinsamen Erdgeschoß befindlichen Lebensmittelmarkt ist es gelungen, das gesamte Ortszentrum zu beleben und aufzuwerten.
Auch ein Schweizer Beispiel durfte nicht fehlen: Kornelia Gysel, Architektin bei Futurafrosch, gab Einblick in das Großprojekt „Hunzikerareal“ am Stadtrand von Zürich, das 2015 bezogen wurde und ein architektonisches wie städteplanerisches Masterpiece darstellt. Hier wurde dezidiert nicht „Wohnen für Alte“ inszeniert. Hier wurde viel Raum geschaffen für die „Durchlässigkeit für sich verändernde Biographien“. Das Beste kommt doch immer zum Schluss!
In rund dreißig Jahren werden ca. ein Drittel der Menschen in Österreich über 65 Jahre alt sein. Unsere Gemeinden werden nicht nur erheblich älter, auch die Bedarfe werden diverser. Das Altern ist zum einen ein Prozess, der in verschieden Phasen mit unterschiedlichen Bedürfnissen an Unabhängigkeit und Betreuung verbunden ist, zum anderen sind die alternden Menschen und deren individuellen Bedürfnisse so vielseitig wie die Gesellschaft selbst. Gewohnt Leben im Alter findet dabei nicht nur in den eigenen vier Wänden statt – das gesamte Wohnumfeld ist für gesundes und gutes Altern essentiell. Dabei spielen soziale Orte wie das Senior:innencafè, das Gasthaus, der Bäcker, der Hauptplatz und die Parkbank eine ebenso wichtige Rolle, wie die barrierefreie Wohnung selbst.
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