Wem gehört die Landschaft?
Wenn alle etwas schätzen, aber keiner was dafür tut.
RaumplanungssymposiumFragt man die Österreicherinnen und Österreicher, worauf sie in ihrem Land besonders stolz sind – oder auch, womit sie den Begriff Heimat verbinden, erhält man als häufigste Antwort: die Landschaft. Angesicht dessen, wie wir alle als Häuslbauer und Autofahrer, als Shopping Center-Kunden oder Ski-Urlauber mit eben dieser Landschaft umgehen, stellt sich die Frage, was wir konkret mit jener Landschaft meinen, die uns so wichtig erscheint – und was wir alles aus unserem Bild der Landschaft ausblenden: kilometerlange Lärmschutz- und Plakatwände, voluminöse Gewerbehallen und überdimensionierte Werbesignets, Mondlandschaften infolge von Kalk- und Schotterabbau, zersiedelte Grünräume, durchzogen von Autobahnen und Schnellstraßen.
Zumal unsere Landschaft weitgehend keine Natur-, sondern nur noch Kulturlandschaft ist, also vom Menschen geformt wurde, fällt es auch schwer, diese als intakt oder zerstört, als ursprünglich oder verunstaltet zu klassifizieren und dafür Schutzmaßnahmen oder Gestaltungsregeln zu entwickeln. Unsere Umwelt wird durch die Summe unzähliger, für sich allein betrachtet unerheblicher Veränderungen geformt und ist durch unseren alltäglichen Gebrauch in permanentem Wandel begriffen. Bei kaum einer dieser Veränderungen herrscht in Politik, Wirtschaft und Bevölkerung ein so weitreichender Konsens, dass man sie für unnötig, ja schlecht befindet und daher verhindert.
Landschaft hat zudem keinen materiellen Wert, und das verschafft ihr einen schweren Stand in unserer Gesellschaft. Auch der Ausblick auf sie ist in keiner Weise geschützt, weder rechtlich einklagbar noch monetär ablösbar. Das wissen Anrainer von Hochbauprojekten ebenso wie Betroffene einer neuen Autobahn. Zwar ist sie im Fremdenverkehrsland Österreich eine wichtige Basis für Wert-Schöpfung und Wohlstand, doch praktiziert der Tourismus vielerorts einen eigentümlichen Umgang mit der Ressource Landschaft, der nicht gerade von Wert-Schätzung zeugt. Ihre Inszenierung durch die Fremdenverkehrsindustrie macht die Landschaft für die einen erst so richtig wahrnehmbar und konsumierbar, während sie für die anderen gerade dadurch verloren geht: ein weiterer Nachweis, wie schwer der „richtige“ Umgang mit ihr zu finden ist.
Dennoch wollen die wenigsten, dass die Veränderung der Landschaft dem freien Spiel der Kräfte überlassen bleibt. Das 6. ORTE-Symposium versucht daher, sich historisch und begrifflich, ökologisch und ästhetisch, ökonomisch und kulturell, politisch und gesellschaftlich, planerisch und gestalterisch an das Thema Landschaft anzunähern – und Strategien für einen verantwortungsvollen und zukunftstauglichen Umgang mit ihr zu erörtern. Vertreterinnen und Vertreter aus Politik und Verwaltung, Wirtschaft und Tourismus, Wissenschaft und Kunst, Planung und Bürgerschaft sollen darlegen, was sie an der Landschaft schätzen und selbst „für die Landschaft tun“ können – und dabei auch andere, gegenläufige Sichtweisen kennenlernen.
Konzept und Moderation: Reinhard Seiß
Programm:
13.00 h
Landschaft ist überall!
Begrüßung und Einführung
Heidrun Schlögl
Geschäftsführerin ORTE, Krems
Volk begnadet für das Schöne?
Österreichs Kulturlandschaft als Spiegel unserer Baukultur
Reinhard Seiß
Raumplaner und Fachpublizist, Wien
Die Landschaft in uns und um uns herum
Gesellschaftstheoretische Annäherung an eine widersprüchliche Problemlage
Ulrich Eisel
Geograph, Soziologe und Politologe, ehem. TU Berlin (Landschaftsentwicklung)
Wem gefallen Windkraftwerke?
Konfliktzonen zwischen Klimaschutz, Naturschutz und Landschaftsschutz
Bernd Lötsch
Ökologe, Naturschutz-Pionier, ehem. Direktor Naturhistorisches Museum Wien
ca. 14.45 h
Kaffeepause
15.15 h
Wa(h)re Landschaft
Vom touristischen Umgang mit einem wandelbaren Wirtschaftsfaktor
Christian Baumgartner
Landschaftsökologe und Nachhaltigkeitsvermittler, response & ability, Wien
NSchG, ROG, UVP
Über Zuständigkeit und Verantwortung im heimischen Kompetenzdschungel
Hannes Schaffer
Landschaftsplaner und Regionalentwickler, mecca consulting, Wien
… und machet sie euch untertan!
Reflexion und Kritik zum Selbstverständnis der Landschaftsgestaltung
Mario Terzic
Zeichner und Landschaftsdesigner, ehem. Universität für angewandte Kunst Wien
17.00 h
Diskussion mit dem Publikum
ca. 18.00 h
Ausklang der Veranstaltung
Der Eintritt zum Symposium ist frei.
Anmeldung erbeten unter office@orte-noe.at
Die anderen ORTE-Raumplanungssymposien:
2020 – Öffentlich versus privat
2019 – Vom Gemeinwohl in Stadt und Land
2018 – Macht und Ohnmacht der BürgermeisterInnen
2017 – Das Ende des Wachstums?
2016 – Wem gehört die Landschaft?
2015 – Demokratie in der Planung?
2014 – Zwei Länder. Ein Plan?
2013 – Ausgedünnt. Eingestellt. Stillgelegt.
2012 – Sterbende Orte. Verödende Städte.
2011 – Verantwortung für den Raum = Verantwortung für die Zukunft